MathematikWie eine Schülerin ein jahrzehntealtes Mathe-Problem löste

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Hannah Cairo spielt in ihrer Freizeit Klavier und steht jeden Morgen um sechs Uhr auf, um laufen zu gehen.
Hannah Cairo spielt in ihrer Freizeit Klavier und steht jeden Morgen um sechs Uhr auf, um laufen zu gehen. (Foto: Ágata Timón)
  • Hannah Cairo, eine 17-jährige Schülerin, hat ein jahrzehntealtes Mathematikproblem gelöst, indem sie ein Gegenbeispiel zur Mizohata-Takeuchi-Vermutung in der harmonischen Analysis vorlegte.
  • Cairo, die seit ihrer Kindheit mathematikbegeistert ist, arbeitete zwei Monate an der Aufgabe und veröffentlichte ihre Erkenntnisse auf einem Pre-Print-Server, was ihr schnell Bekanntheit in der Mathe-Community einbrachte.
  • Die junge Mathematikerin beginnt bald ihre Promotion an der Universität in Maryland und möchte in Zukunft Mathematik-Professorin werden.
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Seit den 1980er-Jahren beschäftigt sich die Fachwelt mit der Mizohata-Takeuchi-Vermutung. Hannah Cairo hat ein Gegenbeispiel vorgelegt, mit nur 17 Jahren.

Von Lisa Nguyen

Für Hannah Cairo fing es mit einer Hausaufgabe an. Zu lösen war eine stark vereinfachte Übung zur Mizohata-Takeuchi-Vermutung. Wer noch Lust hatte, durfte sich im optionalen Teil an die originale Vermutung heranwagen, die als nicht bewiesen, aber korrekt galt und die Fachwelt seit mehr als 40 Jahren beschäftigt.

Cairo arbeitete zwei Monate an dieser Kür-Aufgabe. In diesem Frühjahr legte sie ein Gegenbeispiel vor. Eine zentrale Vermutung der harmonischen Analysis hat sie somit widerlegt, mit gerade einmal 17 Jahren.

Es waren keine regulären Hausaufgaben, versteht sich. Seitdem sie sich erinnern könne, interessiere sie sich für die Mathematik und habe Fachbücher gelesen, erzählt Cairo im Zoom-Interview. Cairo, schulterlange Haare, gestreiftes Shirt, wuchs in Nassau auf den Bahamas auf und zog mit 16 Jahren in die USA. Während sie noch die Highschool besuchte, schrieb sie verschiedene Mathematik-Professoren an und fragte, ob sie ihre Vorlesungen belegen könne. Einer, der ihr antwortete, war der Mathematiker Ruixiang Zhang von der University of California, Berkeley. Zhang war es auch, der seiner jungen Studentin die besagte Übung mit nach Hause gab und später ihr Gegenbeispiel prüfte.

Im Februar dieses Jahres lud Cairo ihre Arbeit auf einen Pre-Print-Server hoch und stellte dem Fachpublikum ihre Erkenntnisse vor; die Folien verziert mit rosa Blüten und Schnörkeln. Schnell erlangte sie Bekanntheit innerhalb der Mathe-Community; nun sickert auch in der Welt der Laien allmählich durch, dass Cairo etwas Besonderes geleistet hat.

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Die harmonische Analysis beschäftigt sich mit der Zerlegung von Funktionen in Schwingungen. Ähnlich wie in der Musik ein Klang aus verschiedenen, sich überlagernden Schwingungen besteht, kann man auch mathematische Kurven so zerlegen. Die mittlerweile 18-jährige Mathematikerin erklärt dieses Fachgebiet mit einer Analogie: Man müsse sich einen Teich vorstellen. Wirft man einen Stein hinein, entstehe eine kreisförmige Welle. Wirft man zwei Steine gleichzeitig, entstünden zwei kreisförmige Wellen, die sich berühren oder überlappen. Wirft man ganz viele Steine, entstünden komplexe Muster. „Jede Form besteht aus Wellen.“

Innerhalb der harmonischen Analysis gibt es auch die Restriktionstheorie, bei der man nur bestimmte Arten von Wellen erlaubt. Welche Überlagerungsformen sind dann möglich? Man müsse sich vorstellen, dass man hierbei nur an bestimmten Stellen des Teiches Steine wirft, sagt Cairo. Die Mizohata-Takeuchi-Vermutung, benannt nach zwei japanischen Mathematikern, besagt: Bei einer gewissen Auswahl von Wellen können nur Funktionen herauskommen, die aus Linien bestehen.

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Cairo fand heraus, dass das nicht stimmt. Dafür konstruierte sie ein kompliziertes Gegenbeispiel und vereinfachte es anschließend. Doch wie sieht die Form dann stattdessen aus? „Um ehrlich zu sein, bin ich mir da nicht so sicher“, sagt sie und lächelt. Eine gedankliche Baustelle, an der sie weiterarbeiten kann.

Die junge Mathematikerin ist sich noch nicht ganz sicher, was sie von der Aufmerksamkeit und dem Trubel um ihre Person halten soll. Derzeit bekommt sie E-Mails aus der ganzen Welt, die sie alle beantwortet. Einige seien überrascht, dass sie überhaupt antworte. Dabei sei ihre Zeit nicht wichtiger als die des Absenders, sagt Cairo. Auch ihr Gehirn „besteht aus derselben Masse“ wie das aller anderen, in ihrer Freizeit spielt sie Klavier und steht jeden Morgen um sechs Uhr auf, um laufen zu gehen.

Trotzdem kann sie nachvollziehen, dass viele von der Mathematik eingeschüchtert sind. Cairo vermutet, dass es an der Art der Vermittlung liegt: „In der Schule ist Mathe gnadenlos. Man liegt entweder falsch oder richtig.“ Spielraum dazwischen gebe es nicht. „Mathematik ist aber eine Kunst, bestehend aus unterschiedlichen Ideen.“ Aus diesen könne man etwas Neues erschaffen, so wie man aus Farben ein Gemälde malt. Doch bei der Schulmathematik gehe es weniger um den kreativen Prozess, sondern das stumpfe Anwenden von Formeln. „Die meisten bevorzugen es aber zu malen, anstatt etwas über Farben zu lernen.“

Am liebsten übt Cairo in sogenannten math circles, also kleinen Gruppen von fünf bis zehn Personen. Eine gute Möglichkeit auch, um Freunde zu finden, sagt sie. In diesen Kreisen suche man Lösungen, aber es gehe genauso darum, das mathematische Problem weiterzudenken und komplexer zu gestalten. Schon in einem Monat fängt Cairo an der University of Maryland ihre Promotion an. Was danach kommt, hat sie nicht genau geplant. Doch eines weiß sie sicher: Sie will Mathematik-Professorin werden.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Cairo habe einen Satz widerlegt. Es handelt sich aber um eine Vermutung.

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