Mit Kanonen gegen Gewitterwolken:Die Wettermacher

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Meteorologen versuchen Hagel zu verhindern und Regen zu erzeugen - in Zukunft wollen sie auch Hurrikane kontrollieren.

Philip Wolff

Seit der Hurrikan Katrina die Stadt New Orleans ins Verderben und die amerikanische Nation in Selbstzweifel gestürzt hat, findet der Wetterforscher Ross Hoffman keine Ruhe mehr. Mit Anrufen und E-Mails wird der Vizechef der Firma Atmospheric and Environmental Research im 2500 Kilometer entfernten Lexington seit Tagen überschüttet - rund um die Uhr.

Mit Kanon wollen Meteorologen Gewitterwolken zu Leibe rücken. (Foto: Foto: dpa)

Denn Hoffman gilt als Vorreiter im künftigen Kampf gegen die Wirbelstürme. Er erforscht, wie der Mensch das Wetter beeinflussen und Hurrikane unschädlich machen kann, bevor sie Städte niederwalzen. "Bis wir dazu in der Lage sind, werden zwar noch einige Jahrzehnte vergehen", sagt er.

Doch mögliche Maßnahmen plant Hoffman bereits: In der Theorie seiner Computermodelle kann er simulierte Hurrikane abschwächen und umlenken - weg von Küsten, Inseln und Städten. Per Mausklick kreiert er Tiefdruckgebiete, die Sturmtiefs ansaugen, erzeugt Regen und schaltet ihn ab, weit gehend wie es ihm beliebt.

Kanonen gegen Gewitterwolken

Der Wunsch, das Wetter auf solche Art zu beeinflussen, war selten so verbreitet wie in diesem Sommer - angesichts von Fluten, Dürren und Waldbränden auch in Europa. Doch die praktischen Erfolge sind bislang minimal.

Bereits die Pläne, simplen Regen zu erzeugen, die der französische Meteorologe Bernard Dubos erstmals 1935 mit Hilfe riesiger Dampf-Schornsteine verfolgt hatte, gingen bis heute nicht auf. Ein Team um den belgischen Physiker Leon Brenig lässt zurzeit die Hersteller einer schwarzen Kunststoff-Folie testen, ob sich über dunkel bespannten Küstenstrichen in Spanien genügend Warmluft bilden könnte, um verdunstetes Meerwasser in Wolken zu verwandeln.

Feiertagswetter per Silberjodid

Derweil bemüht man sich weiter nördlich in Europa darum, Güsse und Hagelschlag zu verhindern. Um 1900 wurden dazu Gewitterwolken noch mit Kanonen beschossen. Heute steigen in Bayern und Österreich Flugzeuge auf und blasen Silberjodid in Gewittertürme: viele winzige Kristalle, an denen das Wasser zu kleinen Hagelkörnern gefriert, die fast geschmolzen sind, wenn sie auf dem Boden auftreffen. In Russland wird die Wolkendecke vor Feiertagen auf diese Weise zum Abregnen gebracht. Im chinesischen Guandong soll Silberjodid Dürren verhindern helfen.

Mit der Präzision und dem technischen Aufwand eines Ross Hoffman jedoch arbeitet bislang kein anderer Wettermacher. "Mit Silberjodid hatte die US-Regierung schon in den sechziger Jahren experimentiert. Zerstören aber ließen sich entstehende Sturmsysteme damit nicht", berichtet er. "Und so habe ich begonnen, die weiteren Entstehungs-Faktoren der Hurrikane zu studieren."

Hoffmans Team sammelte Daten und speiste sie in Computerprogramme: Wasser- und Lufttemperaturen, Windbewegungen und -geschwindigkeiten im Entstehungsgebiet historischer Wirbelstürme, die schließlich unter simulierten Realbedingungen über den Bildschirm brausten. Auf Knopfdruck gibt Hoffman heute hier ein wenig Wärme zu, mindert dort den Wasserdampf, und schon ändern sich Stärke oder Richtung - etwa des Taifuns "Iniki", der 1992 die Hawaii-Insel Kauai verwüstet hatte.

"Es sind winzige Veränderungen in der Atmosphäre, die einen tropischen Wirbelsturm verstärken, abschwächen oder seine Bahn verändern können", sagt Hoffman. So flaue ein Hurrikan in der Simulation ab, wenn er mit weniger aufsteigendem Wasserdampf gefüttert werde. "In die Realität kann man diese Erkenntnis möglicherweise einmal übertragen, indem man einen biologisch abbaubaren Ölfilm auf das Wasser im Sturm-Entstehungsgebiet legt", sagt er.

Bestes Feiertagswetter fällt in Russland nicht einfach vom Himmel: Mit Silberjodid werden Regenwolken aufgelöst. (Foto: Foto: ddp)

Denn die über warmen Meeresoberflächen aufsteigende, feuchtwarme Luft ist die Nahrung jedes Hurrikans. Die Feuchtigkeit kondensiert in kalten Höhen zu Wolkentürmen, was weitere Wärme und damit weiter aufsteigende Luft freisetzt. Und über dem Meer entsteht ein gewaltiger Unterdruck, der Luft aus allen Richtungen ansaugt.

Temperaturerhöhung per Mausklick

Bald bewegt sich das durch die Strömungsablenkung der Erdrotation kreiselnde System fort, dirigiert von Luftströmungen zwischen umliegenden Hoch- und Tiefdruckgebieten und der davon abhängigen Meerwasserwärme. Hemmt auf diesem Weg ein Ölfilm die Verdunstung des Wassers, verliert der Hurrikan an Kraft.

Erfolge erzielte Hoffman aber vor allem darin, einen simulierten Wirbelsturm vom Weg abzubringen. Dazu erhöhte er per Mausklick zum Beispiel die Wassertemperatur westlich des Modell-Taifuns "Iniki" - und der Sturm drehte so weit nach Westen ab, dass die Insel Kauai auf dem Bildschirm verschont blieb.

"Nur um zwei Grad wärmeres Wasser im Westen des Sturmzentrums hätte demnach 1992 ausgereicht, um Kauai zu retten", sagt Hoffman. Dann nämlich wäre dank aufsteigender Warmluft der Luftdruck westlich des Sturms so weit gefallen, dass die umgebende Luft inklusive Taifun in das neue Tiefdruckgebiet gezogen wäre.

Beggar-my-neighbour-policy auch beim Wetter

Eine Vorstellung, die man laut Hoffman eines Tages durch Solarkraftwerke in die Realität umsetzten könnte, die auf Satelliten montiert werden: Schickten solche Orbiter die gespeicherte Energie in Form von Mikrowellen zur Erde, ließe sich unten punktuell die Atmosphäre erwärmen. "Baupläne für solche Geräte existieren bereits", sagt Hoffman. Rechnerische Beweise, dass es tatsächlich gelingt, stehen aber noch aus.

Auf die gleiche Weise ließen sich nach Meinung von Meterorologen auch Tiefdruckgebiete in Europa und damit Fluten wie zuletzt in Rumänien und in Oberbayern abwenden. Allerdings werde der Wetter-Eingriff in solch dicht besiedelten Gebieten zur politischen Frage, warnt Hoffman: Darf man anderen Ländern zumuten, was man sich selbst vom Hals hält?

Irgendwo regnen die abgelenkten Wassermassen schließlich ab. Ein Problem, das bereits in den siebziger Jahren erkannt worden war: Seither verbietet ein Beschluss der Vereinten Nationen, gesteuertes Wetter eines Tages als Waffe in kriegerischen Konflikten einzusetzen.

Aufwind in Österreich

Das Prädikat unbedenklich tragen daher nur Versuche im kleineren Rahmen: die Pläne zum Bau einer Regenfabrik an der Küste Spaniens etwa. Oder die Zerstörung von Gewitterwolken, an der sich die Firma Dyn-o-mat im Städtchen Jupiter in Florida zurzeit versucht. Sie sprüht ein Polyacrylamid-Pulver in die Wolken, das angeblich so viel Flüssigkeit bindet, dass die Wolken austrocknen und anschließend in gelartigen Klumpen vom Himmel fallen.

In wissenschaftlichen Studien bewiesen sind der Erfolg und die ökologische Unbedenklichkeit solcher Vorhaben allerdings nicht. Und auch für den belgischen Regenfabrik-Planer Leon Brenig steht bislang nicht fest, ob und wo an der spanischen Küste die schwarze Kunststoff-Folie den gewünschten Regen-Effekt erzielen könnte. Auf einer Fläche von 1000 Quadratmetern wolle man die Folie im kommenden Jahr zunächst in der israelischen Wüstenregion Negev testen lassen, sagt er.

Gesicherte Studien, die einem Wettermacher Erfolg bescheinigen, liegen zurzeit nur in Österreich vor. Dort hat Otto Svabik von der Wiener Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik die Effekte der regionalen Hagelabwehr seit Anfang der achtziger Jahre ausgewertet. Seither steigen in Niederösterreich und in der Steiermark Sprühflugzeuge auf, die sich unterhalb großer Gewitterwolken Aufwinde suchen und kristallines Silberjodid in die Wolken fliegen lassen.

Weniger Hagel

Das Pulver gilt als nicht gesundheitsgefährdend, weil es am Boden in Silber und Jodid aufgespalten wird. "Die Zahl der Hageltage sowie die Größe der Hagelkörner und der verhagelten Flächen haben dadurch in den vergangenen 20 Jahren deutlich abgenommen", resümiert Svabik.

So sei der Anteil großer Hagelkörner von mehr als 20 Millimetern Durchmesser um etwa drei Viertel auf unter ein Prozent gesunken. Die verhagelten Flächen seien um die Hälfte kleiner geworden, und die Zahl der Hageltage hätte sich von jährlich 16 auf zwölf verringert. Gemessen werden diese Werte mit Hilfe so genannter Hagelplatten, aufgestellt im Abstand von zwei Kilometern, auf denen die Körner Abdrücke hinterlassen.

"Es sind eher solche kleinen, modifizierenden Eingriffe ins Wettergeschehen, die Erfolge bringen", sagt Svabik. Bis der Mensch hingegen so weit ist, auch große Wetterphänomene wie Hurrikane gezielt beeinflussen zu können, wird er sich noch häufig selbst in Sicherheit bringen müssen.

© SZ vom 6.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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