Süddeutsche Zeitung

Mission zum Roten Planeten:Kein Geld, kein Plan - aber zum Mars

Die Mars-Forschung steckt im vielleicht größten Schlamassel ihrer Geschichte. Trotzdem will die Nasa am Samstag mit dem "Mars Science Laboratory" erneut einen Rover zum Roten Planeten schicken.

Alexander Stirn

0,15 PS bei einem Gewicht von fast 900 Kilogramm: In einem Autoquartett hätte das Mars Science Laboratory allenfalls Außenseiterchancen. Das sechsrädrige Gefährt mit seinem langen Hals und dem noch längeren Arm will allerdings auch keine Geschwindigkeitsrekorde aufstellen, es will eine ferne Welt erkunden. Das Mars Science Laboratory ist der jüngste Rover der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Am Samstag soll er zum Roten Planeten aufbrechen.

Große Ziele hat sich das Marsmobil dabei gesetzt: Es will nach Spuren früheren Lebens suchen. Es will die chemische Zusammensetzung des Bodens analysieren. Vor allem aber soll es den Weg für die künftige Erforschung des Planeten ebnen - für gemeinsame Projekte der Europäer und Amerikaner.

Doch hier fangen die Probleme an. Derzeit kann niemand sagen, was sich in Zukunft auf der Oberfläche des Nachbarplaneten abspielen wird. Es gibt kein Geld und keinen Plan. Die Mars-Forschung steckt im vielleicht größten Schlamassel ihrer Geschichte.

Das Mars Science Laboratory, kurz Curiosity ("Neugier") genannt, ist daran nicht ganz unschuldig. Bereits 2009 sollte das rollende Labor seine Mission antreten. Technische Probleme mit den Elektromotoren verhinderten allerdings einen pünktlichen Abflug. Die Zwangspause sowie Kostensteigerungen von 1,6 auf 2,5 Milliarden Dollar brachten auch alle anderen Missionen durcheinander.

Am Samstag, um 16.02 Uhr deutscher Zeit, soll es nun endlich losgehen - und die Nasa-Manager schwärmen bereits in den höchsten Tönen von ihrer Mission: "Curiosity ist das größte und komplizierteste Stück Ausrüstung, das jemals auf der Oberfläche eines anderen Planeten abgesetzt wurde", sagt Doug McCuistion, Direktor des US-Mars-Programms.

Zehn wissenschaftliche Instrumente haben die Forscher auf dem drei Meter langen Rover untergebracht. Unter anderem soll ein Laser Felsbrocken in mehr als 20 Metern Entfernung in glühend heißes Plasma verwandeln. Das dabei erzeugte Licht gibt Aufschluss über die chemische Zusammensetzung des Materials.

Mehrere Zentimeter tief kann der Bohrer des Greifarms ins Gestein vordringen; die freigelegten Proben sollen vor Ort analysiert und auf organische Spuren untersucht werden.

Ein gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickeltes Messgerät wird Art und Stärke der kosmischen Strahlung auf dem Mars bestimmen - wichtig für künftige Besuche von Astronauten. "Das Mars Science Laboratory schlägt damit die Brücke zur nächsten Dekade in unserer Strategie zur Erforschung des Planeten", sagt Doug McCuistion.

Das Problem: Die Strategie wackelt gerade beträchtlich. Ursprünglich wollten sowohl die USA als auch Europa noch in diesem Jahrzehnt einen weiteren Rover zum Mars schicken. Die Europäer merkten aber schnell, dass sie sich das nicht leisten konnten.

Auch die Amerikaner kamen ins Grübeln. 2009 beschlossen die beiden Raumfahrtagenturen daher, sich in Zukunft bei der Eroberung des Roten Planeten zusammenzutun: 2016 sollte ein Orbiter in einer Umlaufbahn platziert werden, 2018 sollten zwei Rover im Doppelpack auf dem Mars landen und Proben einsammeln. Irgendwann nach 2020 sollte das Gestein schließlich zurück zur Erde gebracht werden.

Offensichtlich hat die Nasa dabei mehr versprochen als sie halten kann: Das Budget ist knapp, die Ausgaben fürs neue James-Webb-Weltraumteleskop sind immens gestiegen - was alle anderen wissenschaftlichen Missionen gefährdet. Im Frühjahr teilte die Nasa daher den europäischen Partnern mit, dass sie im Jahr 2016 wohl keine Rakete zum Mars starten kann. Im Sommer wurde aus den zwei Rovern ein gemeinsames Gefährt. Inzwischen ist nicht einmal mehr klar, ob dafür Geld vorhanden sein wird.

Die Europäer, die bereits viele Millionen in die Missionen gesteckt haben, sind verärgert. Allein haben sie weder Zeit noch Geld noch die technische Erfahrung, um einen derart großen Rover auf einem fernen Planeten abzusetzen. Ohne den Orbiter aus dem Jahr 2016 fehlt zudem die nötige Kommunikationszentrale in der Mars-Umlaufbahn.

Die europäische Raumfahrtagentur Esa hat daher offiziell Russland eingeladen, sich an den Missionen zu beteiligen - nicht nur als Raketenlieferant, sondern als vollwertiger dritter Partner, wie Esa-Chef Jean-Jacques Dordain betont. Das wiederum hat die Amerikaner verstimmt.

Die Situation ist verfahren, das Klima nicht das allerbeste. Die Marsforscher setzen nun auf den Rückenwind eines erfolgreichen Starts am Samstag. Die Präsenz auf dem Roten Planeten wäre damit fürs Erste gesichert: Vorgänger Opportunity richtet sich gerade auf den Mars-Winter ein, in der nächsten Saison will er wieder loslegen.

Sofern alles klappt, wird dann im August Curiosity hinzustoßen. Zwei Jahre soll die Mission des untermotorisierten Rovers dauern. Die Nasa-Manager haben aber bereits angekündigt, dass er auch dreimal so lange durchhalten könnte.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2011/mcs
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