Meteorologie:Britische Windbeutel und Luftikusse

Hitzewelle über London

Ein kleines Mädchen sucht Abkühlung im heißen London - dabei hatten die britischen Meteorologen schlechtes Wetter angekündigt

(Foto: Getty Images)

Zehn Jahre Regen statt Sommersonnne über Großbritannien - das war die Prognose des Britischen Wetterdienstes. Aber das Königreich erlebt gerade den wärmsten Sommer seit Langem. Nun rätseln die Wetterleute, wieso sie so grandios danebenlagen.

Von Christian Zaschke

Niemandem dürfte die aktuelle Hitzewelle im Vereinigten Königreich unangenehmer sein als den Experten des britischen Wetterdienstes. Aus dem sonst so wolkenreichen Himmel über der Insel brennt die Sonne, jeden Tag wird es ein bisschen wärmer. Im Südwesten Londons wurden 32,2 Grad im Schatten gemessen, und es könnte in den kommenden Tagen noch heißer werden.

Die meisten Briten genießen dieses unverhoffte Glück, doch die Wetterleute haben ein Problem: Vor genau einem Monat hatte der britische Wetterdienst nach einer Konferenz von Wissenschaftlern in Exeter erklärt, man wisse nun endlich, was es mit den zuletzt konstant verregneten Sommern auf sich habe. Großbritannien befinde sich in der Mitte eines "Zyklus von nassen Sommern".

Hitzewarnung statt Dauerregen

Das bedeute, dass die Briten sich auf zehn Jahre Regen einstellen müssten, bevor es wieder einen richtig sonnigen Sommer gebe, so hieß es. Die Boulevardzeitungen hoben das Thema auf die Titelseiten, und die Wetterleute saßen in den Nachrichtensendungen des Fernsehens und sagten: "Sorry, aber so ist es nun einmal."

An diesem Mittwoch hat der Wetterdienst eine Hitzewellen-Warnung der Stufe drei herausgegeben. Stufe vier hieße, dass der nationale Notstand ausgerufen würde. Mag sein, dass die Vorhersage von zehn verregneten Sommern auf wissenschaftlichen Daten beruhte. In diesen Tagen, da das Königreich den wärmsten Sommer seit Äonen erlebt, wirkt sie einfach nur lächerlich.

Fehleinschätzungen haben Tradition

Der Wetterdienst hat eine gewisse Tradition, was falsche Vorhersagen angeht. 2008 prophezeite er einen milden Winter. Es folgte der kälteste Winter seit einem Jahrzehnt. Anschließend versprach er einen "Grill-Sommer", in dem es in Wahrheit ohne Unterlass regnete. Im vergangenen Jahr sollte der Frühling laut Wetterdienst "trockener als sonst im Durchschnitt" werden. Es fielen historische Mengen Regen und es war kalt, sehr kalt.

In Anbetracht dieser Fehlschläge überrascht es wenig, dass dieser trockene Hitze-Juli als "etwas nasser als gewöhnlich" angekündigt war. Das Magazin Spectator vermutet, dass die Experten des Wetterdienstes derzeit eine große Krisensitzung abhalten und sich fragen, warum sie dauernd danebenliegen.

Die Auswirkungen der Hitzewelle sind deutlich zu spüren. Die London School of Hygiene and Tropical Medicine schätzt, dass bisher 760 Menschen an den Folgen gestorben sind. Die Rettungsdienste verzeichnen ein Drittel mehr Einsätze als sonst. Altenpfleger und Kindergärtner wurden angewiesen, bei Senioren und kleinen Kindern aufmerksam auf Symptome von Überhitzung zu achten.

Die BBC gibt in ihren Nachrichtensendungen Tipps zum Umgang mit dem Wetter - man solle viel trinken und sich im Schatten aufhalten. Fast wirkt es, als scheine in Großbritannien erstmals die Sonne. Dabei ist der Hitzerekord noch längst nicht erreicht: Im August 1990 wurden in Cheltenham 37,1 Grad im Schatten gemessen. Die Frage lautet: Wie lange dauert er, dieser unbritische Sommer? Ein Experte des Wetterdienstes hat im Guardian angekündigt, dass es kühler und der Rest des Monats unbeständig werde. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass den Briten ein paar heiße Wochen bevorstehen.

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