Meteorologen in der Kritik:Die Schönwettermacher

Der staatliche Wetterdienst Großbritanniens lag mit seiner Vorhersage eines "Grillsommers" so gründlich daneben, dass Kritiker ein "Wärmevorurteil" wittern und die BBC mit der Kündigung droht.

W. Koydl

Als Bürger hätte man es schon ganz gern, wenn zwischen dem Blick auf die TV-Wetterkarte und dem Blick aus dem Fenster keine großen Unterschiede klaffen: Den Regentropfen und Schneeflocken auf der Mattscheibe sollten möglichst auch Niederschläge auf der Straße folgen. Doch ausgerechnet bei den Briten, die vermutlich öfter, ausdauernder und intensiver über das Wetter reden als andere Nationen, lassen die Prognosen des staatlichen Wetterdienstes derart zu wünschen übrig, dass der Volkszorn über das Met Office den Staatssender BBC dazu gezwungen hat, das Undenkbare zu denken: Erstmals könnte die Anstalt Wettervorhersagen von einem privaten Anbieter beziehen. Die hatten den nassen Sommer ebenso wie den eisigen Winter vorhergesehen, derweil das Met Office einen warmen "Barbecue Summer" und einen milden Winter erwartet hatte.

London Eye im Regen, Reuters

Von wegen Grillsommer: London Eye im Regen.

(Foto: Foto: Reuters)

Schon der Schwenk der ARD vom staatlichen Wetterdienst zum Privatfrosch Jörg Kachelmann hatte die deutsche Öffentlichkeit aufgewühlt - ein Bruch der BBC mit dem Met Office käme einer Revolution gleich. Denn seit seiner Gründung 1927 bezieht der Sender seine Wetterdaten von dem 1854 etablierten staatlichen Dienst.

Im April läuft der Vertrag aus, vor der Verlängerung hat der Sender nun auch Angebote kommerzieller Unternehmen eingeholt. Zwar haben Meteorologen auf der ganzen Welt ein Glaubwürdigkeitsdefizit - obwohl sie mit immer besseren Daten operieren. Doch im Vereinigten Königreich hat die langanhaltende Pannenserie bei längerfristigen Vorhersagen - keiner der letzten drei nassen Sommer war prognostiziert worden - zu einem dramatischen Einbruch des Vertrauens geführt: 74 Prozent der Briten glauben dem Wetterbericht kein Wort.

Manche werfen den staatlichen Wetter-Prognostikern sogar ideologische Voreingenommenheit vor. So falle auf, dass das Met Office in neun der letzten zehn Jahre fälschlich immer höhere Temperaturen vorhergesagt habe. Dieses "Wärmevorurteil", so der private Wetterfachmann Piers Corbyn, rühre daher, dass die Staatsmeteorologen ihren Berechnungen die Annahme einer von Menschen erzeugten generellen Erwärmung des Erdklimas zugrunde legten.

Andere Experten, wie der Klimaforscher Andrew Watson von der East Anglia University, weisen diese These zwar zurück, dennoch müsse sich das Met Office damit auseinandersetzen, wenn es seine wissenschaftliche Glaubwürdigkeit bewahren wolle. Grundsätzlich riet er dazu, jahreszeitliche Vorhersagen abzuschaffen: "An die glaubt sowieso niemand."

Stephen Mobbs von der Universität Leeds hingegen, der das Met Office als "Organisation von echter Weltklasse" in Schutz nahm, möchte langfristige Prognosen nicht missen. "Sie müssen nur sagen, dass es sich um experimentelle Vorhersagen handelt, und sie müssen lächerliche Begriffe wie 'Grillsommer' vermeiden", sagte er.

Allerdings liegen die Wetterforscher auch bei kurzfristigen Vorhersagen zuweilen gnadenlos falsch. Legendär wurde der Wettermann Michael Fish, der am späten Nachmittag des 15. Oktober 1987 die Zuschauer der BBC beruhigte: Panikmeldungen von einem Hurrikan, der sich auf Britannien zubewege, seien falsch, versicherte der angebliche Fachmann. Wenige Stunden später verwüstete der schwerste Sturm seit knapp 300 Jahren die Britischen Inseln.

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