Süddeutsche Zeitung

Merkel und der Rio-Umweltgipfel:Die Weltrettung kommt später

Lesezeit: 2 min

Alarmieren, einlenken, abwarten: Auf der Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates zeigt sich Angela Merkel enttäuscht über die Ergebnisse des Umweltgipfels in Rio - spricht aber trotzdem von einem "Schritt in die richtige Richtung". Wichtiger ist ihr derzeit die Nachhaltigkeit in der Finanzwelt.

Friederike Zoe Grasshoff, Berlin

Es war einmal eine Klimakanzlerin namens Angela Merkel. Kanzlerin ist sie immer noch, das Interesse für das Klima, das hat allerdings nachgelassen seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise. 2007 posierte sie noch in roter Funktionsjacke vor grönländischen Gletschern für die Fotografen, fünf Jahre später hat sie nicht mal den UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro besucht. Wegen mangelnder Erfolgsaussichten soll sie die Reise abgesagt haben.

Drei Tage nach Abschluss des Rio-Gipfels stellt sich Merkel dann doch noch ihrem alten Ich. Auf der Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates, der die Bundesregierung berät, geht es um Umweltpolitik, soziale Fragen, Ökonomie. Und um die 53-seitige Abschlusserklärung des Rio-Gipfels, die Umweltschützer wegen dem Fehlen klarer Ziele und verbindlicher Fristen aufs Heftigste kritisieren.

Jetzt steht die Bundeskanzlerin auf der Bühne des Hauses der Kulturen und muss Stellung beziehen. Doch der Rest Klimakanzlerin in ihr - er will sich nicht recht zeigen.

Trocken liest sie von ihrem Blatt ab, hie und da ein Blick ins Publikum, das Scheinwerferlicht blendet sie. Merkel redet nicht lange drum herum: "Die Ergebnisse bleiben hinter dem zurück, was in Anbetracht der Ausgangslage notwendig gewesen wäre." Eine klare Aussage, das Publikum applaudiert.

Doch schnell lenkt sie ein: Die Bundesregierung habe sich in Rio zwar für "weltweit neue Impulse" eingesetzt, Deutschland und Europa hätten für verbindliche Klimaschutzziele geworben - vergeblich. Und Deutschland kann die Welt schließlich nicht auf eigene Faust retten: "Wir sind nicht alleine auf der Welt und es ist recht schwierig, bestimmte Dinge durchzusetzen."

Als einen Gipfel des Scheiterns will sie Rio+20 dann aber doch nicht verstanden wissen. Das Ergebnis sei "ein Schritt in die richtige Richtung". Schließlich hätten sich die Vereinten Nationen zur sogenannten Green Economy, also umweltschonendem Wirtschaften, bekannt.

Auch sei es zwar nicht gelungen, das UN-Umweltprogramm (UNEP) in Nairobi zu einer Sonderorganisation aufzuwerten, doch immerhin werde es nun finanziell gestärkt. Und damit sind die konkreten Ergebnisse von Rio dann auch so gut wie abgehakt. Nach zehn Minuten wird die Klimakanzlerin von der Sparkanzlerin und Euro-Retterin verdrängt. Nun schlägt Merkel über den Begriff Nachhaltigkeit den Bogen zu ihrem Dauerthema - der Krise - und auf den "Teufelskreis", der durchbrochen werden müsse.

Das Missachten einfachster Regeln der Nachhaltigkeit habe erst zur Finanz- und Schuldenkrise geführt. "Jeder Euro, der für Schuldenzinsen aufgebracht werden muss, fehlt für Investitionen. Jeder Euro, der für Investitionen fehlt, verschärft das Problem der Wettbewerbsfähigkeit. Je geringer die Wettbewerbsfähigkeit, desto geringer fallen am Ende die Staatseinnahmen aus."

Mit Blick auf den EU-Gipfel, der am kommenden Donnerstag in Brüssel stattfindet, stellt Merkel dann auch gleich klar, was sie von Gemeinschaftshaftungen in Europa hält. Nämlich gar nichts. Die seien "falsch und kontraproduktiv", außerdem in Deutschland verfassungsrechtlich gar nicht möglich.

Dieser Exkurs über Nachhaltigkeit in der Finanzwelt dauert eine Viertelstunde, fast die Hälfte ihrer Redezeit geht es um Schuldenbremse, ESM und Fiskalpakt. Erst dann sind die umweltpolitischen Themen an der Reihe: steigende Meeresspiegel, Ressourcenknappheit, schwindende Waldflächen, überfischte Ozeane, Klimaerwärmung. Sie schlägt Alarm: "Wir müssen schneller handeln, wenn wir nicht Schreckliches erleben wollen."

Wie dieses Handeln auf internationaler Ebene en detail aussehen soll, das lässt Merkel offen. Die deutsche Energiewende führt sie als positives Beispiel für Schwellen- und Entwicklungsländer an, sagt, dass Deutschland als Industrienation eine "Bringschuld" habe. Im selben Atemzug schränkt sie aber ein, dass es sich um ein "anspruchsvolles Projekt" handle und gerade beim Netzausbau noch viel getan werden müsse.

Der für die Energiewende zuständige Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) taucht auf der Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates dann gar nicht erst auf - obwohl er mit einem Diskussionsbeitrag angekündigt war. Er sei gerade erst aus Rio zurückgekehrt und sitze nun im Vermittlungsausschuss Photovoltaik, so ein Sprecher des Ministeriums.

Die Rettung des Planeten wird also nicht nur in Rio, sondern auch in Berlin vertagt. Die einstige Klimakanzlerin muss jetzt erst einmal den Euro retten.

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