Menschheitsgeschichte:Vom Klima getrieben

Menschheitsgeschichte: Schädel eines Neandertalers

Schädel eines Neandertalers

(Foto: imago/United Archives International)

Eine Rekonstruktion der vergangenen zwei Millionen Jahre zeigt: Klimaveränderungen haben wohl eine entscheidende Rolle für die Evolution des Menschen gespielt.

Von Jakob Wetzel

Dass die Evolution des Menschen damit zusammenhing, wie sich das Klima in den vergangenen Abertausenden von Jahren verändert hat, vermuten Forscherinnen und Forscher schon länger. Doch wie eng dieser Zusammenhang gewesen sein muss, zeigt nun ein internationales Team von Klimaphysikern, Anthropologen und Geowissenschaftlern. Wie die Forscher in der Zeitschrift Nature berichten, haben Veränderungen des Klimas nicht nur darüber bestimmt, wo Urmenschen lebten. Sondern Klimawechsel fielen auch mit Sprüngen in der menschlichen Evolution zusammen. Aus einer Analyse des urgeschichtlichen Klimawandels leiten die Wissenschaftler gar einen Stammbaum des Menschen ab. Der moderne Mensch hat sich demnach im südlichen Afrika entwickelt und von dort aus die Welt erobert.

Diese Ergebnisse verdanken die Forscher keinen neuen Knochenfunden, sondern einem neuen Ansatz. Es gebe kaum Daten darüber, welches Klima in der Vorzeit dort herrschte, wo später menschliche Überreste ausgegraben worden sind, schreiben sie in ihrer Studie. Zusammenhänge zwischen Evolution und Klima seien deshalb schwer nachzuweisen.

Die Forscher griffen also zu einer Computersimulation: Mehr als sechs Monate lang ließen sie Aleph, einen südkoreanischen Superrechner, das Klima der Erde in den vergangenen zwei Millionen Jahren rekonstruieren. Die Ergebnisse glichen sie mit einer Datenbank ab, in der Funde zu fünf Arten von Urmenschen gespeichert sind, darunter der Homo sapiens, der Neandertaler und auch der Homo heidelbergensis, der als Stammvater der beiden gilt. So fanden die Wissenschaftler heraus: Die verschiedenen Arten von Urmenschen lebten unter je unterschiedlichen Klimabedingungen; jede Art bevorzugte ein anderes Muster aus Temperatur, Niederschlägen und Pflanzenwachstum. Je nachdem, wo auf der Welt solche Bedingungen herrschten, lassen sich die Arten also unterschiedlichen Habitaten zuordnen.

In Europa überlappten sich die Lebensräume von Neandertaler und Homo heidelbergensis

Diese Lebensräume werfen ein neues Licht auf die Entwicklung des Menschen, denn die Habitate veränderten sich mit Verschiebungen des Klimas. Zumindest in den vergangenen 500 000 Jahren habe das Klima eine zentrale Rolle dafür gespielt, wo bestimmte Arten von Urmenschen lebten, sagt Axel Timmerman, Klimaphysiker und Erstautor der Studien von der Universität Busan in Südkorea. Die Wissenschaftler untersuchten auch, ob sich die Lebensräume zeitlich nahe beieinanderliegender Arten vorübergehend überlappten. Tatsächlich zeigte die Simulation: Vor etwa 400 000 bis 300 000 Jahren überlappten sich die Lebensräume von Neandertaler und Homo heidelbergensis in Europa. Die des Homo sapiens und des Homo heidelbergensis überlappten sich dagegen vor etwa 300 000 Jahren vor allem in Südafrika.

Den Forschern zufolge lebten frühe Urmenschen vor zwei Millionen Jahren im östlichen Afrika. Als das Klima vor etwa 800 000 Jahren kühler und wechselhafter wurde, habe sich der Homo heidelbergensis angepasst, habe sich neue Nahrung erschlossen und sei deshalb in der Lage gewesen, in die Welt zu wandern. Die einen gingen in den Norden, dort entwickelte sich unter anderem der Neandertaler. Die anderen gingen in den Süden, wo der Homo sapiens entstand. Das passt auch zu Erkenntnissen und Hypothesen unter anderem aus Genanalysen. Doch die Forscher zeigen nun auch: Große Entwicklungsschritte des Menschen wurden jeweils von Veränderungen des Klimas vor Ort begleitet - anders als beim menschengemachten Klimawandel geht es hier freilich um Veränderungen, die sich vergleichsweise gemächlich vollzogen. "Wir sind, wer wir sind, weil wir es geschafft haben, uns über Jahrtausende an langsame Klimaveränderungen anzupassen", sagt Axel Timmermann.

Das größte Habitat aller Urmenschen hatte laut Studie nicht der moderne Homo sapiens, sondern der Homo erectus, der vor knapp zwei Millionen Jahren erstmals auftauchte und den die Forscher als flexiblen Generalisten beschreiben. Er starb trotzdem spätestens vor 100 000 Jahren aus. Der Homo sapiens, den es seit etwa 300 000 Jahren gibt, hatte einen anderen Vorteil: Er kam am besten mit Trockenheit zurecht.

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