Fußballfans kennen Berni (ohne ie) als kuscheliges Maskottchen des FC Bayern München. Bernie (mit ie) heißt allerdings auch die 1907 entdeckte Moorleiche in der Nähe von Aurich; benannt nach dem Fundort Bernuthsfeld. Die Gletschermumie Ötzi wurde 1991 in den Ötztaler Alpen entdeckt, die weibliche Moorleiche Moora – genau: im Moor. Lucy, 1974 in Äthiopien entdecktes weibliches Teilskelett eines Australopithecus afarensis, erhielt ihren Namen, weil die Ausgräber während der Arbeit „Lucy in the Sky with Diamonds“ von den Beatles hörten.
Die Sprachwissenschaftlerin Christina Sanchez-Stockhammer von der Technischen Universität Chemnitz ist mit Kollegen aus der Archäologie der Frage nachgegangen, wie beliebt eine solche populäre Namensgebung für ur- und frühgeschichtliche Menschenfunde ist. Im Fachblatt Beiträge zur Namenforschung sind die Ergebnisse publiziert. Unter Archäologen ist lediglich die Nummerierung der Funde üblich, die populäre Bezeichnung geht meist auf zufällige Wortschöpfungen und deren häufigen Gebrauch in den Medien zurück. Die früheren Namen von Skeletten und Mumien aus der Steinzeit sind nun mal nicht überliefert, da es aus dieser Zeit keine Schrift gibt. Wäre es daher sinnvoll, zusätzlich zur Inventarnummer den Funden einen Personennamen zu geben, wollten die Forscher in einer Online-Umfrage wissen. Und wenn ja, welchen?
Der beliebteste Name war ausgerechnet „Hauni“ – also doch eine Verniedlichung.
Unter den 319 Befragten waren zu je etwa einem Drittel Linguisten, Archäologen sowie Teilnehmer, die in keinem der beiden Bereiche Fachkenntnisse besaßen. Entsprechend unterschiedlich fielen die Ergebnisse aus. Die Archäologen waren skeptisch. Sie lehnten die zusätzliche Namensgebung für frühgeschichtliche Menschenfunde zu 58 Prozent ab und bewerteten sie als tendenziell problematisch (49 Prozent). Die Linguisten waren hingegen aufgeschlossen für den Vorschlag (68 Prozent) und empfanden ihn als unproblematisch. Die Mehrzahl der Laien war ebenfalls dafür.
Im Deutschen folgen Namen für frühe Menschenfunde wie „Ippsi“ oder „Kilti“ oft dem Muster des Gletschermanns Ötzi. Diese Namensgebung fanden viele der Befragten jedoch zu verniedlichend und lehnten sie als respektlos ab. Auch das „Ötzi-Prinzip“ stößt an Grenzen – wenn am selben Ort mehrere Überreste gefunden werden und verschiedene Namen nötig sind. „Wir haben deshalb ein System entwickelt und beispielsweise die erste Silbe des Fundortnamens ‚Haunstetten‘ mit verschiedenen Namensendungen kombiniert“, sagt Sanchez-Stockhammer. Das Ergebnis sind Namen wie „Hauna“, „Haunrid“ oder „Haunika“ – welche für die meisten Befragten wie Menschennamen und damit vertraut klangen. Der beliebteste Name war allerdings ausgerechnet „Hauni“ – also doch eine Verniedlichung.
Heikel kann die Benennung nach fiktiven oder tatsächlichen Personen sein. Udo, die Überreste eines 2016 im Allgäu gefundenen 12 Millionen Jahre alten Menschenaffen, ist nach Udo Lindenberg benannt. Dies könne theoretisch den Nachteil haben, dass „Assoziationen zu den entsprechenden Personen und ihren Eigenschaften“ geweckt werden, warnen die Forscher. Im konkreten Fall sei die Gefahr aber wohl nicht so groß, so die Wissenschaftler, dass „aufgrund der zeitlichen Distanz und der gänzlich anderen Lebensumstände der benannten Toten beispielsweise der Menschenaffe mit Udo Lindenberg oder seinen Eigenheiten“ in Verbindung gebracht wird. Die Forscher betonen zudem, dass die vorgeschlagenen Namen nie als Alternative, sondern als Ergänzung zum wissenschaftlichen Bezugssystem gedacht waren und sich besonders für gut erhaltene und wichtige Funde anbieten würden. Laien empfinden das bisherige System als „zu unpersönlich“ und „schwer zu merken“ und bevorzugen daher eine zusätzliche Namensgebung.
„Die von uns aus Teilen von Ortsnamen und Menschennamen erzeugten Eigennamen drücken die Ambivalenz aus, dass wir uns damit sowohl auf Knochen in einer Museumsvitrine als auch auf einen einst lebendigen Menschen mit seiner persönlichen Geschichte beziehen“, sagt Sanchez-Stockhammer. „Ich mag diese populären Namen sehr gerne, da sie das Menschliche betonen.“