Süddeutsche Zeitung

Mensch-Tier-Mischwesen:Ethikrat fordert strengeres Chimären-Verbot

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Es ist in Deutschland verboten, Mischwesen aus Mensch und Tier zu erschaffen. Doch dem Ethikrat gehen die Bestimmungen im Embryonenschutzgesetz noch nicht weit genug. Allerdings können sich die Experten durchaus Ausnahmen vorstellen, in denen Chimären erlaubt sein sollten.

In Großbritannien haben Wissenschaftler bereits vor Jahren Mensch-Tier-Mischwesen - sogenannte Chimären - geschaffen. Dazu fügten sie menschliches Erbgut in Eizellen von Kühen ein. Ein Grund für solche Experimente ist der Mangel an menschlichen Eizellen für die Stammzellenforschung.

Entsprechende Versuche sind in Deutschland allerdings genauso verboten wie die Übertragung menschlicher Embryos auf ein Tier. Doch die biomedizinische Forschung entwickelt sich rasant. So wurde inzwischen schon versucht, aus menschlichen Stammzellen gewonnene Nerven-Vorläuferzellen in das Gehirn von Versuchstieren - auch Menschenaffen oder Schimpansen - zu übertragen. Auf diese Weise, so hoffen manche Wissenschaftler, ließen sich Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson besser erforschen und später möglicherweise auch behandeln.

Doch durch solche oder andere Experimente würde die biologische Artgrenze zwischen Mensch und Tier immer mehr infrage gestellt. Deshalb hat der Deutsche Ethikrat in den vergangenen zwei Jahren Vorschläge entwickelt, wie das Embryonenschutzgesetz erweitert werden müsste. In der heute vorgestellten Stellungnahme des Rates fordern sie nun, dass auch die Übertragung tierischer Embryonen auf den Menschen, die Einbringung tierischen Materials in den Erbgang des Menschen und alle Verfahren, die zur Bildung menschlicher Ei- oder Samenzellen im Tier führen können, verboten werden sollten.

Einmütig vertritt der Ethikrat in seiner Stellungnahme auch die Auffassung, "dass keine Einpflanzung von Mensch-Tier-Zybriden in eine menschliche oder tierische Gebärmutter vorgenommen werden darf." Zybriden sind tierische Eizellen, in die menschliche Zellkerne verpflanzt werden, um daraus Stammzellenlinien für die Forschung zu gewinnen. "Wir wollen eine klare Grenzziehung, damit es erst gar nicht zur Entstehung von Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung kommt", sagte der Sprecher der Arbeitsgruppe des Ethikrates, Wolf-Michael Catenhusen.

Konkret fordert der Rat unter anderem ein Verbot der Schaffung "von transgenen Mensch-Tier-Mischwesen mit Menschenaffen" wie auch "die Einfügung hirnspezifischer menschlicher Zellen in das Gehirn von Menschenaffen".

Nicht so streng urteilen die Ratsmitglieder über Versuche, bei denen menschliche Gene nicht in Menschenaffen, sondern in andere Primaten oder Säugetiere gebracht werden - zumindest wenn der zu erwartende Nutzen groß ist und die Tierschutzrichtlinien eingehalten werden. Ähnlich äußerte sich der Rat zur Herstellung von Hirnchimären durch die Übertragung menschlicher Zellen auf Säugetieren außer Menschenaffen.

Der Rechtswissenschaftler Jochen Taupitz sagte, man habe mit der Stellungnahme kein "Horrorszenario" aufmachen wollen. Nicht alles, was weltweit in den Forschungslaboren geschehe, sei wirklich brisant oder besorgniserregend. Gleichwohl gehe es um Transparenz und eine rechtzeitige Einbeziehung der Öffentlichkeit.

Ein geteiltes Votum gaben die Ratsmitglieder zur strittigen Frage der Herstellung von tierischen Eizellen, in die menschliche Zellkerne verpflanzt werden (Zybriden) ab. Zwölf Mitglieder des Ethikrates halten dies für unbedenklich, weil diese Zellmasse weder als Mensch noch als Tier einzuordnen und auch keinesfalls als menschlicher Embryo zu betrachten sei. Hingegen fordern elf Mitglieder des Ethikrates die Aufnahme eines Verbots in das Embryonenschutzgesetz. Aus ihrer Sicht weisen diese Zybriden alle Eigenschaften einer menschlichen befruchteten Eizelle auf.

Der Deutsche Ethikrat soll Empfehlungen abgeben zu ethischen und rechtlichen Fragen der Forschung und ihren Folgen für Individuum und Gesellschaft. Seine Mitglieder werden je zur Hälfte auf Vorschlag des Parlamentes und der Bundesregierung berufen.

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