Süddeutsche Zeitung

Megafauna:Riesiger Hunger

Vom Chinesischen Riesensalamander bis zum Gorilla: 150 Großtierarten sind bedroht, weil Menschen sie jagen und essen.

Von Hanno Charisius

170 Millionen Jahre lang lebte der Chinesische Riesensalamander auf der Erde. Der bis zu 60 Kilogramm schwere Schwanzlurch versteckte sich in kalten Flüssen, jagte andere Amphibien und Fische. So hätte es noch ein paar Millionen Jahre weiter gehen können, doch dann entdeckte der Mensch, wie lecker das größte Amphibium der Welt ist.

Die gezielte Jagd auf die Megafauna gefährdet auch andere Tierarten

Weil der Hunger des Menschen auf Fleisch so groß ist, ist diese Art inzwischen vom Aussterben bedroht und mit ihr rund 150 weitere Großtierarten. Diese traurige Zahl veröffentlichten der Ökologe William Ripple von der Oregon State University und seine Kollegen im Fachjournal Conservation Letters. Die Forscher hatten Studiendaten zu 362 Großtierarten weltweit gesammelt. 70 Prozent der Bestände, zu denen es genügend Informationen gab oder die nicht bereits ausgerottet wurden, schrumpfen laut der Erhebung. 59 Prozent sind akut vom Aussterben bedroht, "weil der Mensch sie aufisst", sagt Ripple. Das direkte Töten zu verhindern, sei deshalb die wichtigste Schutzmaßnahme, um diese "ikonischen Arten zu retten aber auch ihre Dienstleistungen für ihr jeweiliges Ökosystem zu erhalten", sagt der international anerkannte Experte für Nahrungsketten.

Die Forscher nahmen Säugetiere und Fische, die ausgewachsen schwerer als 100 Kilogramm sind, in ihre Statistik auf, sowie Amphibien, Vögel und Reptilien ab 40 Kilogramm. Durch diese Festlegung seien Arten in die Auswertung gekommen, die in früheren Studien ignoriert wurden, sagt Ripple. Die nun erfassten Großlebewesen seien stärker bedroht als alle anderen Wirbeltiere zusammen.

Als Megafauna bezeichnen Biologen solche Tiere, die zu den größten in ihrem jeweiligen Lebensraum zählen. Der Begriff erfasst Lebewesen zwischen zwei Kilogramm aber auch mehr als 1000 Kilogramm schwere Elefanten oder Wale. In den vergangenen 500 Jahren habe es der Mensch geschafft, zwei Prozent der ursprünglichen Megafauna des Planeten auszulöschen, schreiben die Forscher. "Unsere Daten zeigen, dass wir diese Tiere essen, bis keine mehr da sind", sagt Ripple. Zu den gefährdeten Spezies zählen etwa verschiedene Arten von Gorillas, Haien und Antilopen.

Aber nicht nur der Hunger auf Fleisch lässt Menschen Jagd auf große Tiere machen. Die Reptilien in Ripples Liste sind vor allem gefährdet, weil Menschen deren Eier essen. Die gezielte Jagd auf die Megafauna gefährde aber auch andere Tierarten, schreiben die Forscher. Sie tappen in Fallen und verfangen sich als unerwünschter Beifang in Netzen. Neun Großtiere hat der Mensch allein in den vergangenen 250 Jahren ausgerottet. Dazu zählt zum Beispiel eine Riesenschildkrötenart, deren letztes Exemplar im Jahr 2012 starb, oder der Blaubock, eine afrikanische Antilope. Von zwei Hirscharten leben nur noch wenige Exemplare in Zoos.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4320637
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.02.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.