Weite Teile der deutschen Nordsee stehen seit mehr als 15 Jahren unter Schutz. Das Sylter Außenriff zum Beispiel wurde extra zu einer Art Ruhezone erklärt, damit Schweinswale dort ungestört ihre Jungen zur Welt bringen und großziehen können. Jetzt geht gerade dort die Zahl der Schweinswale deutlich zurück. Schlimmer kann Naturschutz nicht scheitern.
In einer aktuellen Studie schreiben Meeresbiologen aus Deutschland, dass der Schwund der Schweinswale am Sylter Außenriff mit jährlich 3,79 Prozent sogar noch größer ist als in der deutschen Nordsee insgesamt, wo die Zahl der Meeressäuger um 1,79 Prozent pro Jahr zurückgeht.
Das ist traurig, aber nicht verwunderlich. Es ist die Rechnung dafür, dass viele der Schutzzonen lediglich auf dem Papier existieren. Ohnehin ist die Nordsee eines derjenigen Meere, die der Mensch weltweit am intensivsten nutzt. Man sollte meinen, dass wenigstens die ausgewiesenen Schutzgebiete respektiert werden. Irrtum! Auch durch angeblich geschützte Teile dürfen ungehindert Schiffe fahren. Es wird sogar intensiv gefischt und Unternehmen bauen Sand und Kies ab. Das ist absurd! Durch Schutzgebiete an Land dürfen schließlich auch keine Autobahnen gebaut werden. Und nur weil sie für Menschen weniger sichtbar sind, sind Verwüstungen, die beispielsweise Schleppnetze auf dem Meeresgrund anrichten, nicht weniger schlimm.
Wenn es den Schweinswalen schlecht geht, läuft etwas grundsätzlich schief
Das muss aufhören und zwar schnell. Schweinswale sind schließlich sogenannte Indikatororganismen: Geht es den mit maximal 1,85 Metern Länge relativ kleinen Meeressäugern schlecht, ist das ein Alarmsignal. Es bedeutet, dass etwas grundsätzlich schiefläuft in der Nordsee. Es wäre nur vernünftig, jetzt zu handeln. Bergleute haben schließlich auch möglichst schnell ihre Mine verlassen, wenn der Tod der mitgebrachten Kanarienvögel ihnen anzeigte, dass der Sauerstoff knapp wird.
Was genau den Schweinswalen in der Nordsee zu schaffen macht, wissen die Forscher noch nicht. Wahrscheinlich ist es wie meistens ein Mix verschiedener menschlicher Aktivitäten. Die Tiere verfangen sich oft als Beifang in Fischernetzen und ersticken, weil sie nicht mehr auftauchen können, um Luft zu holen. Auch die Verschmutzung durch Schwermetalle wie Quecksilber und Blei sowie durch fettlösliche Umweltgifte wie polychlorierte Biphenyle belastet sie. Und schließlich scheinen die Meeressäuger empfindlich auf den Lärm zu reagieren, den unter anderem der Bau von Windparks macht.
Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass die Schutzbemühungen in der deutschen Nordsee ungenügend sind. So darf es nicht weitergehen. Es ist höchste Zeit, Schutzgebiete zu schaffen, die diesen Namen auch verdienen. Menschen sollten aus der Hälfte der jetzt schon pro forma bestehenden Schutzzonen verbannt werden. Mindestens. Das ist wirklich nicht zu viel verlangt.