Meeresleben:Lasst die Alten unten

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Fische in der Tiefsee wachsen so langsam, dass sich überfischte Bestände erst nach Jahrzehnten wieder erholen

Patrick Illinger

Meeresbiologen haben während der Jahrestagung der AAAS in San Francisco eindringlich davor gewarnt, die tieferen Regionen der weltweiten Ozeane zu befischen. Bereits in Tiefen von 200 Metern unter der Wasseroberfläche beginnt eine marine Lebenswelt, in der vollkommen andere biologische Gesetze herrschen als in flacheren Gewässern.

Einige Fischarten in größeren Tiefen können Biologen zufolge bis zu 150 Jahre alt werden. Sie zeugen aber erst Jahrzehnte nach ihrer Geburt Nachkommen, erklärte Selina Heppell, Fischerei-Biologin der Oregon State University. Wenn man diese Tiere aus dem Wasser holt, erholen sich die Bestände also nur entsprechend langsam.

Moderne Fischtrawler ziehen ihre Netze aber bereits durch 900 Meter tiefe Gewässer. Experimentell wird sogar in noch größeren Tiefen gefischt. Die weltweite Nahrungsmittelindustrie hat sich bereits darauf eingerichtet, mehr und mehr zuvor als ungenießbar geltende Fische in das Speisefischangebot aufzunehmen. Oft werden Arten dabei einfach umbenannt.

So zum Beispiel der Hoplostethus atlanticus, der zur Ordnung der Schleimkopfartigen gehört und aus Vermarktungs-Gründen in Deutschland den Namen Kaiserbarsch sowie im englischsprachigen Raum orange roughy erhalten hat. ,,Wer orange roughy in einem Laden kauft, ersteht wahrscheinlich das Filet eines Tieres, das schon 50 Jahre oder älter ist'', sagt Heppell. Sie fordert eine Richtlinie, wonach man derart alte Tiere nicht essen sollte.

Tiefsee als neue Materialquelle

Die Fische wachsen so langsam, weil es in der Tiefsee stockdunkel ist und dort Temperaturen von nur wenigen Grad über null herrschen. Biologische Computermodelle haben errechnet, dass einige Arten beispielsweise mehr als 200 Jahre brauchen würden, um sich wieder zu erholen, nachdem sie überfischt wurden. Zu Schaden kommen auch diejenigen Fischarten, die nicht auf dem Teller landen, aber als Beifang in die Netze gehen. Unter Wasser sind die Tiere meist eine leichte Beute, weil sie sich in den Weiten der Tiefsee an besonders markanten Stellen zusammenrotten.

Daniel Pauly von der Universität im kanadischen Vancouver wies darauf hin, dass die jährlich in den Weltmeeren gefangene Fischmenge von rund 90 Millionen Tonnen seit einigen Jahren um etwa eine halbe Tonne pro Jahr abnimmt. Weil die traditionellen Fischgründe bereits ausgeschöpft sind, weichen immer mehr Fangflotten auf die Tiefsee aus. Das sei unter anderem nur deshalb gewinnbringend, weil in vielen Staaten der Welt, darunter Japan, Südkorea, aber auch Frankreich die Tiefseefischerei beispielsweise mit vergünstigtem Treibstoff subventioniert werde.

Rashid Sumaila von der Universität von British Columbia in Kanada schätzt, dass die Tiefseefischerei weltweit mit 152 Millionen Dollar subventioniert wird, was etwa 15Prozent des Warenwerts entspreche, der von den Fangflotten erbeutet wird. Da die Gewinnmarge lediglich bei zehn Prozent liege, ist die Tiefseefischerei derzeit nur aufgrund der Subventionen lohnend. Daniel Pauly nannte als Beispiel auch den Hummer-Fang, bei dem pro Kilo erbeutetem Hummer zwischen fünf und acht Liter Treibstoff aufgewendet werden müssen, um die Fanggründe zu erreichen.

Anders als bei der klassischen Fischerei, wo ein überfischtes Gebiet sich mitunter durch Fangquoten wieder erholen kann, werde im Zuge der Tiefseefischerei ein Lebensraum nach dem anderen vernichtet, so die Forscher, die zu internationalen Vereinbarungen aufriefen.

Technisch sei die Überwachung von Fangflotten mit modernen Ortungsgeräten heute ein Leichtes, sagte Murray Roberts von der Schottischen Vereinigung für Meeresforschung. Bereits heute müssen Fischerboote, die länger als 15 Meter sind, ein für Satelliten empfangbares Ortungssignal senden. Heutzutage müsse man keine Kanonenboote mehr aussenden, um Fanggründe zu überwachen, sagt Roberts.

© SZ v. 20.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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