Medizinische Studien:Ergebnisse hängen von Sponsoren ab

Wenn die Industrie klinische Studien finanziert, kommen diese auffallend häufig zu positiven Ergebnissen.

Sebastian Herrmann

Manchmal stimmt Geld positiv. Es ließe sich auch sagen: Manchmal trimmt Geld positiv, dann nämlich, wenn die Industrie klinische Studien finanziert.

Denn wie Paul Ridker und Jose Torres von der Harvard Medical School in Boston in einer Überblicksarbeit für das Fachmagazin Journal of the American Medical Association (Jama, Bd. 295, S. 2270, 2006) zeigen, hängt das Ergebnis kardiologischer Studien stark davon ab, wer diese finanziell fördert.

Die beiden amerikanischen Mediziner werteten dazu 324 Untersuchungen aus, die zwischen 2000 und 2005 in Jama, The Lancet und im New England Journal of Medicine erschienen sind - drei der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften.

Dabei unterschieden sie, ob die jeweiligen Arbeiten von Unternehmen oder Einrichtungen, die nicht für Profit arbeiten, finanziell unterstützt wurden.

Ihr Ergebnis: Kam das Geld von einer Firma, war es wesentlich wahrscheinlicher, dass die Studie eine neue Behandlungsmethode oder ein neues Medikament positiv oder sogar als den herkömmlichen überlegen bewertete.

In 58,6 Prozent der Studien, die Ridker und Torres unter die Lupe nahmen, wurde berichtet, dass die getesteten Präparate oder Therapien bessere Ergebnisse lieferten.

Rund ein Drittel der untersuchten Arbeiten - 34,6 Prozent - konnte keinen signifikanten Unterschied zwischen neuen und herkömmlichen Verfahren feststellen.

Während bei 6,8 Prozent der Studien die getesteten Methoden schlechtere Ergebnisse als bislang angewandte Therapien lieferten.

Als die beiden Mediziner danach unterschieden, wer die Studien finanziert hatte, verschob sich das Bild: "Die Daten zeigen, dass mit Fördergeld aus der Industrie die Ergebnisse klinischer Studien offenbar beeinflusst werden", schreiben die Autoren.

Wissenschaftler unter Druck

So attestierten 67,2 Prozent der industriegesponsorten Arbeiten den untersuchten Wirkstoffen und Therapien einen überlegene Wirkung. Stammte das Geld von unabhängigen Einrichtungen, kamen nur 49 Prozent der Arbeiten zu dem Schluss, dass eine neue Therapie der herkömmlichen überlegen sei.

Wie Geld aus der Industrie möglicherweise gewünschte Ergebnisse produzieren könnte, erklären Torres und Ridker in ihrer Arbeit: "Wenn schon die erste klinische Erprobung einer neuen Therapie keine oder negative Ergebnisse erbringt, ist es weniger wahrscheinlich, dass weitere Versuche finanziert werden."

Produzieren erste Versuche dagegen viel versprechende Resultate würden wahrscheinlich auch weitere Tests finanziert.

"Das setzt beteiligte Wissenschaftler natürlich unter einen enormen Druck und erzeugt teilweise vorauseilenden Gehorsam", sagt Gerd Antes. So ist der Leiter des Deutschen Cochrane Zentrums in Freiburg, das die wissenschaftliche Qualität klinischer Studien bewertet, von den Erkenntnissen der Übersichtsarbeit wenig überrascht.

Verzerrte Ergebnisse würden regelrecht "geplant". "Man will die Überlegenheit eines Präparats oder eines Verfahrens belegen und konzipiert die Methode entsprechend."

Ein weiteres Problem sei es, dass Studien, die positive Ergebnisse liefern, eher veröffentlicht würden. Wenn sich dagegen ein getestetes Präparat als Flop erweist, könne die Studie schon Jahre liegen, bevor sie - wenn überhaupt - veröffentlicht wird.

Deshalb fordert Antes Transparenz: Klinische Studien sollten in einem öffentlichen Register für jedermann zugänglich gespeichert werden. Darüberhinaus müssten auch Protokolle und Studienpläne jederzeit einsehbar sein, um eine abweichende Darstellung der Ergebnisse nachverfolgen zu können.

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