Medizin:Mehr Tote durch Ärztepfusch als im Straßenverkehr

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Der Präsident der Deutschen Chirurgischen Gesellschaft hat alarmierende Zahlen vorgelegt. Internationale Studien hätten schockierende Ergebnisse geliefert, so der Mediziner. In Deutschland fehlten zwar verlässliche Daten, aber "wir müssen davon ausgehen, dass die Situation hier ähnlich ist".

So hatten Forscher des amerikanischen "Institute of Medicine" herausgefunden, dass allein in den USA jährlich bis zu 98.000 Menschen an Fehlern bei ihrem Krankenhausaufenthalt sterben. Studien aus England und Australien ergaben, dass zwischen 12 und 16 Prozent aller Klinikpatienten bei ihrer Behandlung "ein unerwünschtes Ereignis widerfährt"

Demnach zählt das Risiko, an Kunst- und Behandlungsfehlern im Krankenhaus zu sterben zu den zehn häufigsten Todesarten - noch vor Aids und Brustkrebs. Rothmund forderte seine Zunft auf, eine "Politik des Schweigens" zu beenden und Konsequenzen zu ziehen.

"Wir dürfen Fehler nicht mehr unter den Teppich kehren und so tun, als wenn keine passieren würden", betonte der Professor einen Tag vor Beginn eines Chirurgen-Kongresses zum Thema Patientensicherheit.

Rothmund sagte, es müssten dringend Schritte unternommen werden, um Zahl und Schwere von Fehlern zu verringern: "Die Luftfahrtgesellschaften sind uns Medizinern um 20, 30 Jahre voraus, was Fehlervermeidung angeht."

So liege das Risiko, eine schwere oder tödliche Komplikation zu erleiden, im Krankenhaus bei eins zu 200, im Luftverkehr dagegen bei eins zu zwei Millionen.

Die meisten Behandlungsfehler in den Kliniken seien nicht etwa spektakuläre Fälle wie falsch amputierte Beine oder Lungenflügel, sondern "die kleinen Unzulänglichkeiten im Alltag", sagte Rothmund. Dazu zählten Verwechslungen von Namen, Medikamenten oder der richtigen Dosis.

Dies könne man vermeiden, wenn man anstelle der oft schwer leserlichen Handnotizen bei der Visite "Laptops am Krankenbrett" einsetzte. An Behandlungsfehlern im Krankenhaus sterben in Deutschland mehr Menschen als bei Verkehrsunfällen.

Am wichtigsten sei jedoch eine neue "Fehlerkultur", offen über Pannen und Missgeschicke zu sprechen, forderte Rothmund. So seien in den angelsächsischen Ländern in den Kliniken längst regelmäßige Konferenzen über aktuelle Krankheits- und Todesfälle Standard. "Solche Konferenzen finden bei uns in Deutschland in der Regel nicht statt", sagte der Chefarzt an der Universitätsklinik Marburg.

Auch müssten Ärzte überhaupt die Möglichkeit erhalten, offen Fehler eingestehen zu können. In einigen Fällen heiße es bei Haftpflichtversicherern etwa: "Nicht darüber reden, lass erst einmal den Patient klagen", berichtete Rothmund. "Das kann dazu führen, dass die Versicherung sonst nicht mehr für einen eintritt."

Auch müsse die Fort- und Weiterbildung besser kontrolliert und effizienter werden. Ärzte und Personal dürften nicht überlastet werden: "Das kostet Geld", betonte der Chirurgen-Präsident. Fehler passierten zwar immer, wo Menschen zugange seien, aber auch eine Sicherheit von 99 Prozent sei nicht ausreichend: Dies würde jede Woche noch immer 1225 fehlerhafte Operationen in deutschen Kliniken bedeuten.

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