Süddeutsche Zeitung

Medizin:Von Harry Potter das Gesundwerden lernen

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Spontanheilungen, Beschwörungsformeln, magische Rituale: Warum die Medizin mal schleunigst ins Hogwarts-Universum schauen sollte.

Eine Glosse von Werner Bartens

Es ist ein Plädoyer für die sprechende Medizin, im guten wie im schlechten. Wie sonst wären die Ergebnisse zu verstehen, die Vincent Gärtner vom Haunerschen Kinderspital in München mit Kollegen im Medical Journal of Australia veröffentlicht hat? Die Forscher haben 1541 Erkrankungen, Verletzungen und Todesfälle ausgewertet, zu denen es im Harry-Potter-Universum gekommen ist. Zwar wurde die multiple Sterblichkeit Lord Voldemorts herausgerechnet, trotzdem waren Morbidität und Mortalität in und um das Zauberinternat Hogwarts erstaunlich hoch.

Etliche Zwischenfälle gingen auf Duelle, Stürze vom Besen oder Vergiftungen zurück, Verwünschungen und Zaubersprüche verursachten Leid. Letzteres ist ein weiterer Beleg dafür, was medizinische Magier im weißen Kittel in der Muggel-Welt anrichten können, wenn sie unbedacht plappernd Menschen verunsichern. Zum prallgesunden Lebemann zu sagen: "Sie sind ein Risikopatient!"; oder zur Schwangeren: "Oh, der Kopf ist ein bisschen groß!" - weil der Ultraschallkopf schief aufliegt. Das wären solche Sätze.

Blockbuster wie der "Aufpäppel-Trank" sollten weiter erforscht werden

Gleichzeitig zeigt die retrospektive Studie, wie wichtig Vertrauen in den eigenen Körper und in den behandelnden Magier für die Genesung sind. Meist kam es bei Zauberschülern, Hexen und Elfen zur Spontanheilung. Krankenhausaufenthalte dauerten in 99 Prozent der Fälle kürzer als eine Woche, was unterstreicht, wie sinnvoll die Stärkung des ambulanten Sektors ist.

Falls sich die Beschwerden nicht von allein wieder gaben, halfen magische Rituale und Beschwörungsformeln; ein klarer Hinweis auf die Heilwirkung sprechender Medizin. Ärzte sind zudem zu ermuntern, der Kraft einer gelungenen Inszenierung zu vertrauen und ihre Künste - "Drama, Baby" - effektvoller zu zelebrieren. Auch bei limitierten verbalen Fähigkeiten sollten sie auf die Arzt-Patienten-Kommunikation setzen, statt in der Sprechstunde auf den Bildschirm zu starren.

Original-Rezepte sind kaum überliefert, doch die Harry-Potter-Welt hält sogar Lehren für die Pharmaindustrie bereit. Statt sich zu verzetteln, sollten Blockbuster wie der "Aufpäppel-Trank" ("Pepper-Up Potion") weiter erforscht und als günstige Generika angeboten werden. Etliche andere Medikamente sind hingegen überflüssig. Die Muggel-Medizin kann sich viel von der magischen Welt abschauen - etwa endlich zu lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.

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