Medizin:Bann für die Gen-Schere

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Ein Embryo in der Fruchtblase, in der fünften Woche nach der Befruchtung. (Foto: imago/Leemage)

Die Crispr-Entdecker fordern ein Moratorium für den Einsatz an menschlichen Embryonen. Was der Vorstoß bewirken kann, ist jedoch umstritten.

Von Kathrin Zinkant

Vier Monate, nachdem die Geburt zweier genetisch veränderter Mädchen bekannt geworden ist, fordern renommierte Forscher einen vorläufigen weltweiten Bann solcher ethisch zweifelhafter Eingriffe.

Die Gruppe um Emmanuelle Charpentier vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, den Nobelpreisträger Paul Berg und Eric Lander vom Broad Institute in Cambridge, Massachusetts, schreibt im Magazin Nature, es solle auf globaler Ebene eine "feste Zeitspanne geben, in der keine klinischen Anwendungen der Keimbahn-Editierung in irgendeiner Form erlaubt sind". Der Bann solle aber nicht auf ewig und auch nicht für die Grundlagenforschung gelten. Im Anschluss könnten "Nationen für sich entscheiden, welchem Weg sie folgen wollen".

Im November hatte der chinesische Biophysiker He Jiankui erklärt, er habe die zwei Neugeborenen Nana und Lulu durch einen Eingriff in ihr Erbgut immun gegen den Aidserreger HIV gemacht. Die Mädchen sind damit die ersten genetisch manipulierten Menschen. Verwendet hatte He nach eigener Aussage die relativ junge Crispr-Technologie, die es erlaubt, in Pflanzen, Tieren und Menschen gezielte Veränderungen der Erbsubstanz vorzunehmen.

Der Menschenversuch wurde seither vielfach geächtet und als ethisch untragbar bezeichnet. He selbst sieht sich auch in seiner Heimat inzwischen schweren Vorwürfen ausgesetzt. Eine offizielle Untersuchung hat sowohl die Geburt der Mädchen bestätigt, als auch einen Gesetzesverstoß festgestellt. Der Biophysiker wird beschuldigt, die staatliche Kontrolle unterlaufen zu haben, ihm droht ein Prozess. Zugleich ist unter Wissenschaftlern eine Debatte darüber entbrannt, wie solche Alleingänge in Zukunft verhindert werden können.

Wissenschaftler diskutieren nun heftig über den Sinn des Vorstoßes

Ein freiwilliges Moratorium war bereits 2015 auf einer Konferenz in Washington gefordert worden, nachdem das Potenzial der Crispr-Technologie für derartige Eingriffe offensichtlich wurde. Zudem galt bereits als sicher, dass chinesische Wissenschaftler schon mit Crispr an menschlichen Embryonen forschten - allerdings nicht, um genveränderte Babys auf die Welt zu bringen, sondern für den Erkenntnisgewinn. Solche Forschung findet - unter strengen Auflagen - inzwischen auch in Großbritannien und anderen westlichen Industrienationen statt. In Washington hatte man sich zumindest darauf geeinigt, veränderte Embryonen vorerst auf keinen Fall austragen zu lassen.

Die Wissenschaftlergemeinde diskutiert nun heftig über den Sinn und die Wirkung des neuen Vorstoßes. "Lassen Sie uns nicht vergessen, dass He viele Regeln gebrochen hat und sich dessen bewusst war", sagt die Reproduktionsmedizinerin Helen O'Neill vom University College in London und verweist auf die Gesetze in China. "Es ist nicht passiert, weil es erlaubt gewesen wäre." "Ein Moratorium wird Schurken in der Forschung nicht stoppen", sagte Eric Lander der Nachrichtenseite Statnews. Die Angst vor einer weiteren Nana oder Lulu sei jedoch nicht entscheidend. "Solche Einzeltaten verändern nicht die Welt. Die entscheidende Frage ist, ob ein ganzes Land sich dafür ausspricht, Menschen genetisch zu verändern."

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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