Medikamentenforschung:Bestellte Wahrheit

Eine PR-Agentur hat jahrelang Fachaufsätze für die Pharma-Firma Wyeth lanciert, um das Image von Medikamenten zu verbessern. Betroffen sind auch renommierte Fachblätter.

Britta Verlinden

Das Pharmazie-Unternehmen Wyeth hat über Jahre hinweg eine PR-Agentur dafür bezahlt, wissenschaftliche Artikel zu verfassen und darin gezielt Werbebotschaften zu platzieren.

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Das heutige Pfizer-Tochterunternehmen Wyeth hat jahrelang eine PR-Agentur dafür bezahlt, wissenschaftliche Artikel zu verfassen und darin gezielt Werbebotschaften zu platzieren.

(Foto: ddp)

Damit versuchte die Firma, das Image ihrer Angebote zur Hormonersatzbehandlung in den Wechseljahren zu verbessern. Das geht aus 1500 firmeninternen Dokumenten hervor, die bei einem Gerichtsverfahren vorgelegt wurden und die das Fachjournal PLoS Medicine (online) ausgewertet hat.

Zu den Dokumenten zählen E-Mails, Memoranden, Themenpläne und Manuskripte. Sie zeigen, wie Wyeth systematisch den Wissenschaftsbetrieb unterwandert hat, um die Marktchancen der eigenen Produkte zu verbessern.

Dazu beauftragte die heutige Pfizer-Tochter eine Agentur namens DesignWrite, Übersichtsartikel und Kommentare zu verfassen, die die Hormonersatztherapie in ein gutes Licht rücken. Ein Übersichtsartikel fasst die Ergebnisse mehrerer Studien zu einer Fragestellung zusammen. Für die fertigen Manuskripte suchte die Agentur schließlich Autoren, die lediglich ihren Namen unter die Texte setzen mussten.

Zwischen 1996 und 2004 erschienen so Dutzende Texte in wissenschaftlichen Zeitschriften, auch in renommierten Fachblättern wie den Archives of Internal Medicine oder dem American Journal of Obstetrics and Gynecology. Je Artikel erhielt DesignWrite 25.000 Dollar. Hinweise, dass die "Autoren" ebenfalls bezahlt wurden, fanden sich nicht.

Die Texte preisen einen vermeintlichen Nutzen an, der wissenschaftlich nicht belegt ist, spielen gefährliche Nebenwirkungen herunter oder machen Präparate der Konkurrenz schlecht. Insbesondere wurde das erhöhte Brustkrebsrisiko verharmlost, das im Zusammenhang mit Hormontherapie beobachtet wird. Vermeintliche präventive Effekte, etwa hinsichtlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenzen, wurden hingegen in den Vordergrund gestellt.

Mehr als 14.000 US-Amerikanerinnen, die während einer Behandlung mit dem Wyeth-Mittel Prempro an Brustkrebs erkrankten, haben das Unternehmen auf Schadensersatz verklagt. Ärzte hatten den Frauen das Kombinationspräparat aus Östrogen und Gestagen gegen Wechseljahresbeschwerden verschrieben.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt eine kurze, niedrig dosierte Hormontherapie in den Wechseljahren nur bei wenigen, eng definierten Indikationen.

Wie viele Wissenschaftler sich bereit erklären, ihre Namen unter den Text eines Ghostwriters zu setzen, sei unklar, schreibt die Autorin der PLoS-Analyse, Adriane Fugh-Berman. "Es gibt jedoch Grund zur Sorge, dass die Praxis weit verbreitet sein könnte."

Gerd Antes vom Deutschen Cochrane Zentrum bestätigt das. Dass der Peer-Review-Prozess bei solchen Texten versage, liegt laut Antes auch daran, "dass die beauftragten Agenturen einfach besser schreiben als viele echte Autoren".

Die Dokumente im Internet finden Sie hier.

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