Medikament gegen Neurodermitis:Zweifel an der Wundercreme

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Ein TV-Film hatte Hoffnungen auf eine simple und wirkungsvolle Salbe gegen Neurodermitis geweckt. Nun soll sie auf den Markt kommen. Doch Hautärzte dämpfen den Optimismus.

Katrin Blawat

Eine am Montag ausgestrahlte ARD-Dokumentation hat eine heftige Diskussion über ein Medikament namens Regividerm entfacht. Diese Creme soll gegen Schuppenflechte (Psoriasis) und Neurodermitis helfen. Der Film suggerierte, das Mittel sei besser und mit weniger Nebenwirkungen verbunden als andere Präparate. Die Salbe werde aber von der Pharmaindustrie boykottiert, weshalb sie noch nicht auf dem Markt sei.

Doch Fachleute sind skeptisch. "Es ist nicht so, dass wir hier ein Zaubermittel haben", sagt der Hautarzt Markus Stücker von der Ruhr-Universität Bochum. Stücker ist Erstautor einer Doppelblind-Studie des Jahres 2004, in der er die Wirksamkeit des Medikaments an 48 Patienten untersucht hat. Anhand von Fragebögen ermittelten die Ärzte, dass 27 Patienten Regividerm eine "gute" und 17 Patienten eine "mittlere" Wirksamkeit bescheinigten. Für Körperteile, die mit einer identisch aussehenden Placebo-Salbe bestrichen wurde, machten fünf beziehungsweise 39 Patienten entsprechende Angaben. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Mediziner in der Fachzeitschrift British Journal of Dermatology.

Jörg Prinz, Experte für Schuppenflechte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, warnt davor, diese Zahlen überzubewerten. "Die Studie zeigt möglicherweise eine Tendenz, die auf die Wirksamkeit des Mittels hindeutet", sagt der Dermatologe. "Aber gerade bei Hautkrankheiten haben viele Präparate auch eine psychische Wirkung. Es ist schwer, diese Faktoren auseinanderzuhalten."

Auch Studienautor Stücker hält die Bewertung des Hautmedikaments für nicht abgeschlossen. "Ich sehe das bislang verhalten. Die Sicherheit ist noch nicht da", urteilt er. "Wir haben schon viele Medikamente gesehen, die nicht das halten konnten, was sie anfangs versprochen haben."

Die Fernsehdokumentation hatte suggeriert, dass die Pharmaindustrie die Markteinführung von Regividerm verhindern wolle, um die bereits käuflichen, teureren Mittel nicht zu verdrängen. Ein Vorwurf, den Markus Stücker aufgrund der mageren, wissenschaftlich belegbaren Fakten zu Regividerm nicht unterstützt: "Ich würde daraus keinen Betrug am Patienten konstruieren."

Regividerm besteht hauptsächlich aus Vitamin B12, das auch Cyanocobalamin heißt, und Avocadoöl. In der Fernsehdokumentation bezweifelten Vertreter der Pharmaunternehmen wiederholt, dass eine derart einfache Rezeptur wirksam sein könne. "Wir wissen, dass Cyanocobalamin Stickoxid-Moleküle neutralisieren kann", sagt Jörg Prinz. "Und Stickoxid spielt bei Entzündungsreaktionen, wie sie bei Schuppenflechte auftreten, eine große Rolle." Ein Medikament mit sehr einfachen Inhaltsstoffen könne durchaus wirken, wenn es an einem zentralen Punkt der Entzündung ansetze. "Das Stickoxid, das durch das Vitamin B12 unschädlich gemacht wird, ist aber eine Folge der Entzündung, nicht deren Ursache", sagt Prinz. Möglicherweise könne Regividerm also die Symptome von Schuppenflechte und Neurodermitis lindern, diese Krankheiten aber nicht heilen.

Knapp 30 Euro pro 100 Milliliter Creme

Am Mittwochnachmittag gab die Berliner Niederlassung des Schweizer Unternehmens Mavena Health Care bekannt, dass es die Produktion von Regividerm übernommen habe. Die Salbe werde voraussichtlich von Mitte November an ausgeliefert.

"Im Moment ist es unser Anliegen, die Creme möglichst schnell auf den Markt zu bringen", sagt Michael Dahlmann, Mitarbeiter der Firma Regeneratio Pharma, die die Patentrechte besitzt. Weitere Studien zur Wirksamkeit seien vorläufig nicht geplant. 100 Milliliter der Creme sollen knapp 30 Euro kosten. "Für eine Salbe aus Vitamin B12 und Avocadoöl ist das ganz schön teuer", sagt Kathrin Baade vom Hamburger Universitätsklinikum. Regeneratio Pharma begründet den Preis mit den hohen Herstellungskosten des Cyanocobalamin-Pulvers.

© SZ vom 22.10.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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