Ältester Maya-Kalender entdeckt:Weltuntergang verschoben

2012 geht die Welt unter, behaupten Endzeit-Theoretiker - und verweisen auf den Maya-Kalender. Längst inspiriert das Katastrophen-Szenario auch die Werbeindustrie und Hollywood. US-Archäologen beruhigen nun. Sie haben einen noch viel älteren Maya-Kalender entdeckt. Und der stellt einiges klar.

Die Maya und ihr Kalender sind dieses Jahr vor allem aufgrund absurder Spekulationen über das Ende der Welt in die Schlagzeilen gekommen. Weil die astronomischen Berechnungen dieser Hochkultur Mittelamerikas mit dem Dezember 2012 enden, gingen manche Menschen davon aus, zu diesem Zeitpunkt käme auch das Ende der Zeit.

Doch wer tatsächlich davon überzeugt war, dass die Maya etwas über den Weltuntergang wussten, das uns entgangen ist, den belehren US-Wissenschaftler nun eines Besseren.

Die Archäologen Anthony Aveni von der Colgate University im US-Staat New York und William Saturno von der Boston University haben in einer Ruine im Dschungel von Guatemala den mit Abstand ältesten bisher bekannten Kalender der Maya entdeckt.

Bereits vor etwa 1200 Jahren hielten sie demnach ihre Beobachtungen der Gestirne fest - vierhundert Jahre früher als bekannte Kalender belegten. Und die Berechnungen umfassen eine Zeitspanne von mehr als 6000 Jahren. Damit gehen sie deutlich über Dezember 2012 hinaus, berichten die Forscher im Fachblatt Science.

"Warum sollten sie mit diesen Zahlen rechnen, wenn die Welt schon in diesem Jahr vor dem Ende stünde?", sagt der auf die Astronomie der Maya spezialisierte Aveni. "Man könnte schon sagen, dass eine so große Zahl zumindest andeutet, dass die Zeit weitergehen wird".

Die neu entdeckten Aufzeichnungen befinden sich in der Ruinenstadt Xultun im Nordosten Guatemalas. An den Wänden eines kleinen Raumes seien die astronomischen Beobachtungen dort wie auf einer Schultafel notiert worden. Viele der Inschriften wurden von Plünderern beschädigt, aber eine Reihe von Aufzeichnungen sei noch erkennbar.

Wenige Millimeter groß

Die Inschriften sind nur Millimeter groß und in rot und schwarz gehalten. Derartige Hieroglyphen seien noch nie gesehen worden. Daneben seien auch Könige und andere Figuren aufgemalt. Diese hätten aber ganz offensichtlich keinen direkten Bezug zu den Kalenderdaten.

Ältester Maya-Kalender entdeckt: Diese Zahlen auf einer Wand in einer Maya-Ruine in Guatemala gehören zu dem jetzt entdeckten Kalender. Die Daten beziehen sich auf einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren - und ihnen zufolge haben die Maya nicht damit gerechnet, dass die Welt 2012 untergeht.

Diese Zahlen auf einer Wand in einer Maya-Ruine in Guatemala gehören zu dem jetzt entdeckten Kalender. Die Daten beziehen sich auf einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren - und ihnen zufolge haben die Maya nicht damit gerechnet, dass die Welt 2012 untergeht.

(Foto: AP)

An einer Wand ist nach Angaben der Wissenschaftler ein auf den Mondphasen beruhender Kalender aufgezeichnet, der über 13 Jahre reicht. Vermutlich sei dieser vor allem für religiöse Zwecke genutzt worden - etwa um festzustellen, welche Gottheit mit einer bestimmten Mondphase in Verbindung stehe.

Anhand der Daten hätten allerdings auch über Jahre im Voraus die Zeiten des Vollmondes berechnet werden können, so Aveni weiter. Damit sei es den Maya möglich gewesen, etwa den optimalen Zeitpunkt für kriegerische Angriffe zu bestimmen oder Prognosen bezüglich der zu erwartenden Ernte zu machen.

Auf einer anderen Wand seien vier Zeitspannen von etwa 935 bis 6700 Jahren aufgezeichnet. Wofür genau sie stehen, ist den US-Forschern zufolge noch nicht ganz klar. Möglicherweise hätten die Verfasser damit Berechnungen auf Grundlage ihrer Beobachtungen der Bewegungen von Planeten wie Mars und Venus aufgestellt. Warum sollten sie das tun? Vielleicht seien die Schreiber "Freaks" gewesen, "die einfach von diesen Rechnungen und Berechnungen mitgerissen wurden und sie möglicherweise weiter getrieben haben, als für ihre Gesellschaft notwendig", sagt Aveni

Dem Archäologen Saturno zufolge soll es sich um verschiedene Kalendersysteme der Maya handeln: Dem zeremoniellen Kalender mit 260 Tagen, dem Sonnenkalender mit 365 Tagen und sogar Kalender nach Venus und Mars mit 584 und 780 Tagen. "Wir sehen zum ersten Mal so etwas wie die Aufzeichnungen eines Schreibers, dessen Aufgabe es offenbar war, für die Maya-Siedlung solche Daten festzuhalten", sagte Saturno. Er habe einfach alles an die Wand geschrieben: "Er nutzte sie wie eine Tafel."

Experten hatten schon länger vermutet, dass die Maya bereits vor 1200 Jahren astronomische Aufzeichnungen machten. Die bisher am weitesten zurückreichenden Funde waren jedoch nicht mehr als etwa 600 Jahre alt. Die Entdeckung von Aveni und Saturno wird daher auch von anderen Wissenschaftlern als maßgeblich betrachtet.

"Eine wunderbare Überraschung"

Ältester Maya-Kalender entdeckt: Die Ruine, in der die Archäologen ihre Entdeckung gemacht haben. Das Gebäude gehört zu der Maya-Stadt Xultún, in der einst zehntausende Menschen lebten.

Die Ruine, in der die Archäologen ihre Entdeckung gemacht haben. Das Gebäude gehört zu der Maya-Stadt Xultún, in der einst zehntausende Menschen lebten.

(Foto: AFP)

"Es ist eine wunderbare Überraschung", sagt Simon Martin, der am Museum of Archaeology and Anthropology der University of Pennsylvania eine Ausstellung über die Kalender der Maya betreut. Bisher seien nur Ergebnisse der Astronomen auf Monumenten gefunden worden. Nun werde deutlich, wie die Maya zu diesen Ergebnissen gekommen seien.

Dass der Raum in Xultun ein Steindach habe, zeige zudem, dass die Astronomen eine wichtige Stellung innerhalb der Gesellschaft gehabt haben müssen. "Es ist eine sehr wichtige Entdeckung", sagt auch John B. Carlson, der Direktor des Center for Archaeoastronomy im US-Staat Maryland. Und der veröffentlichte Artikel gebe erst einen flüchtigen Blick des Ganzen.

Die überwucherten Strukturen in dem Gebäude waren schon vor zwei Jahren entdeckt worden - von einem Studenten Saturnos, der den Pfaden von Plünderern gefolgt war. Mit Unterstützung der National Geographic Society kehrte der junge Mann mit seinem Professor und anderen Wissenschaftlern zurück und legte die Hieroglyphen frei.

Die Ruinenstadt selbst war schon vor 100 Jahren entdeckt worden. Einst lebten hier Zehntausende Menschen.

Die Ergebnisse der Forschung werden im Juniheft des National Geographic Magazine und im Wissenschaftsjournal Science veröffentlicht.

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