Archäologie:Größtes Maya-Monument der Welt entdeckt

A three-dimensional image of the ancient Maya Aguada Fenix site

Die Anlage Aguada Fénix in Mexiko in der Lidar-Rekonstruktion.

(Foto: TAKESHI INOMATA/VIA REUTERS)

Eine jüngst in Mexiko gefundene Monumental-Anlage zeigt: Die frühe Maya-Gesellschaft war schon zu Großem fähig - womöglich ohne Anführer.

Von Hubert Filser

Der Riesenbau, den die Maya einst im Süden Mexikos nahe der Grenze zu Guatemala angelegt haben, ist schon allein aufgrund seiner Dimensionen beeindruckend. Hier wurde mehr Material bewegt als beim Bau der großen Pyramide von Gizeh, mehr als vier Millionen Kubikmeter Erde wurden aufgeschüttet. Bis zur Ankunft der spanischen Eroberer gab es kein größeres Bauwerk in Mittelamerika.

Doch damit nicht genug: Die 2017 entdeckte Anlage Aguada Fénix ist nicht nur das größte, sondern mit etwa 3000 Jahren auch das älteste Monumentalbauwerk der Maya, wie ein internationales Archäologen-Team kürzlich in Nature berichtete. Sie ist auch von ihrer Machart besonders: Anders als viele berühmte Maya-Bauten besteht die wohl für Zeremonien genutzte Plattform nicht aus Stein, sondern aus Lehm und Erde. Nach Berechnungen der Forscher waren dafür zwischen zehn und 13 Millionen Personenarbeitstage nötig.

Jeweils zwei mächtige Rampen führen von Norden und von Süden seitlich auf die monumentale Hochebene. Bis zu 15 Meter hoch ist das riesige, künstlich aufgeschüttete Plateau. In der Mitte ist es Richtung Westen und Osten noch um kleinere Plateaus erweitert, sodass der Bau wie ein großes, dickes Kreuz in der Landschaft liegt - allein die Hauptachse ist 1413 Meter lang und 399 Meter breit.

Entdeckt haben die Forscher um Takeshi Inomata von der University of Arizona in Tucson die an der westlichen Grenze des Maya-Tieflands gelegene Anlage, als sie Lidar-Daten der Grenzregion zu Guatemala auswerteten. Bei dieser Technologie überfliegt ein Flugzeug oder eine Drohne das Untersuchungsgebiet, sendet dabei gezielt Laserpulse aus und wertet die von der Oberfläche der Landschaft reflektierten Signale aus. So entsteht eine Art topografische Karte der Oberfläche.

Das Bauwerk lag vor den Augen der Bewohner - seine schiere Größe machte es unsichtbar

Die Lidar-Technologie kann Strukturen aufspüren, die von der Vegetation überdeckt sind, also etwa verborgene Anlagen in tropischen Wäldern. Vor einigen Jahren haben Forscher so die einst gewaltigen Dimensionen der antiken Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha sichtbar gemacht. Auch verschiedene Anlagen der Maya oder der benachbarten Olmeken sind mit dieser Technologie unter dem grünen Dschungeldach entdeckt worden.

Im aktuellen Fall von Aguada Fénix lag das gewaltige Plateau jedoch in der landwirtschaftlich genutzten Region Tabasco im Süden Mexikos, die an den Usumacinta-Fluss grenzt, also praktisch direkt vor den Augen der Bewohner. "Doch da die Plattform eine so große horizontale Ausdehnung hat, sieht sie, wenn man auf ihr läuft, einfach wie eine natürliche Landschaft aus", sagt Inomata. In unmittelbarer Nähe der Plattform befanden sich weitere, meist kleinere Bauwerke der Maya-Kultur.

Überraschend war auch das Alter der Anlage. Inomata und seine Kollegen datierten Holzkohlereste und andere organische Hinterlassenschaften der Maya, die sie bei punktuellen Ausgrabungen auf dem Hauptplateau von Aguada Fénix entdeckt hatten, mithilfe der Radiokarbonmethode auf ein Alter von 3000 Jahren.

Einige der Rampen entstanden wohl rund 200 Jahre später, die Anlage wurde offenbar langsam ausgebaut. Damit ist die Anlage älter als die meisten Maya-Dörfer. Offenbar gab es also auch bei den Maya zunächst gemeinsame rituelle oder religiöse Handlungen, ehe die Menschen in festen Behausungen sesshaft wurden.

Auf der Plattform selbst fanden die Archäologen zwei zusammenhängende Bauten, die offenbar für astronomische Zwecke errichtet wurden, einen kleinen, pyramidenförmigen Erdhügel und davor ein in Nord-Süd-Richtung verlaufendes kleines Erdplateau. Diese Konstruktion wurde immer wieder auch in anderen Anlagen in der Region genutzt. Damit bestimmten die Maya die Zeitpunkte der Sommer- und Wintersonnenwende.

Ging von der Pyramide aus gesehen die Sonne exakt über der nordöstlichen Ecke des kleinen Plateaus auf, war es der längste Tag des Jahres. Ging die Sonne über der südöstlichen Ecke auf, war es der kürzeste Tag des Jahres - und die Tage würden nun wieder länger werden.

Die früheren Maya hatten noch keine Eliten und waren eher nicht hierarchisch organisiert

Die Anlage zeigt, wie wichtig den Maya, die mehr als 2000 Jahre lang große Teile Mittelamerikas beherrschten, ihre astronomischen Beobachtungen waren und welch gewaltigen Aufwand sie dafür betrieben.

Möglicherweise waren die gemeinsamen Beobachtungen für die gesamte Gesellschaft identitätsstiftend. Sehr wahrscheinlich versammelten sich auf dem großen Plateau zu besonderen Anlässen zahlreiche Menschen zu rituellen Handlungen, so die Forscher. In der Mitte des Plateaus fanden die Archäologen symbolische Artefakte wie Jadeäxte, die Maya typischerweise bei Zeremonien deponierten.

Spannend ist für die Forscher dabei ein weiteres Detail. Sie entdeckten auf der Plattform keine der für spätere Anlagen der Maya oder der Olmeken typischen Steinskulpturen, die oft wichtige Personen darstellten. Offenbar sei die frühe Maya-Kultur eher nicht hierarchisch geprägt gewesen, schreiben die Archäologen. Stattdessen habe man ausgerechnet die größte bislang bekannte Monumentalarchitektur gemeinschaftlich gebaut und genutzt.

Anders als die Olmeken und spätere Maya-Gesellschaften hatten die frühen Maya noch keine mächtigen Eliten - und waren dennoch in der Lage, ein gewaltiges Projekt wie Aguada Fénix zu organisieren.

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