Ökologie:Schutzmaßnahme Rasenmähen

Ökologie: Eine mongolische Wühlmaus bei der Bearbeitung ihres Gartens.

Eine mongolische Wühlmaus bei der Bearbeitung ihres Gartens.

(Foto: Wikimedia Commons)

Mongolische Wühlmäuse trimmen das Gras rund um ihren Bau, um Fressfeinde besser erkennen zu können - und brechen dadurch aus ihrer Opferrolle aus.

Von Tina Baier

Löwen fressen Antilopen, Wölfe jagen Rehe und Adler stürzen sich auf Mäuse und Hasen. Groß frisst klein - und den potentiellen Opfern von Raubtieren bleibt nicht viel mehr, als zu flüchten oder sich zu verstecken. Das ist die gängige Vorstellung von Räuber-Beute-Beziehungen in der Natur.

Ein Forscherteam aus Großbritannien, den USA und China hat jetzt im Wissenschaftsjournal Current Biology gezeigt, dass es so einfach nicht ist. Zumindest mongolische Wühlmäuse sind ihren Jägern keineswegs hilflos ausgeliefert, sondern ergreifen die Initiative und schützen sich aktiv vor Angriffen ihrer Feinde - indem sie das Gras rund um ihren Bau mähen.

Das hat gleich mehrere Vorteile für die Nager: Zum einen haben sie auf den gemähten Flächen freie Sicht und können damit Feinde rechtzeitig erkennen. Zum anderen ist das Mähen eine geniale Strategie gegen den Hauptfeind von Brandts Mongolischer Wühlmaus: einen Raubvogel aus der Familie der Würger. Dieser Vogel nutzt hohe Grashalme nämlich als Aussichtspunkt, um von dort aus seine Opfer zu erspähen. Außerdem spießt der Würger seine Beute auf diesen Halmen auf und legt so eine Art Speisekammer an.

Das Beispiel zeigt, wie komplex die ökologischen Netzwerke sind, über die Tiere und Pflanzen miteinander verbunden sind

Wenn die Wühlmäuse das hohe Gras getrimmt haben und es für die Würger weder Aussichtspunkte noch Speisekammer gibt, kommen die Raubvögel viel seltener, schreiben die Studienautoren. Sie konnten beobachten, wie die Mäuse die hohen Halme regelrecht fällen, indem sie sie von unten annagen. Manchmal buddeln sich die Tiere auch einen Gang zu den Wurzeln und beißen die Verbindung zwischen oberirdischen und unterirdischen Pflanzenteilen durch.

Dass die Wühlmäuse die gefällten Halme nicht fressen, war für die Wissenschaftler ein erster Hinweis darauf, dass die Nager diesen kräftezehrenden Aufwand nur deshalb betreiben, um ihre Feinde fernzuhalten. Dieser Verdacht bestätigte sich durch ein Experiment: Die Forscher deckten einige Bereiche mit Netzen ab, so dass die Würger ihre Beute nicht mehr erreichen konnten und weg blieben. Sobald die Feinde verschwunden waren, hörten die Wühlmäuse auf, das Gras zu mähen.

Das Beispiel zeigt, wie komplex die ökologischen Netzwerke sind, über die Tiere und Pflanzen miteinander verbunden sind. Die bisher unbekannte Strategie der Mäuse ist ein gutes Beispiel für das Konzept des "ecosystem engineering": Als Ökosystem-Ingenieure bezeichnen Biologen alle Lebewesen, die ihre Umwelt aktiv verändern. Das sind viel mehr, als man im ersten Moment vielleicht denken würde.

Elefanten etwa gehören dazu, da sie Keimlinge und kleine Bäume ausrupfen und so dafür sorgen, dass Graslandschaften entstehen. Eichhörnchen sind Landschaftsingenieure, die Bäume pflanzen: nicht bewusst, sondern aus Versehen, weil sie Eicheln und andere Samen als Vorrat vergraben -und diese hin und wieder in der Erde vergessen.

Die Wühlmäuse in der Mongolei beeinflussen ihre Umwelt nur in einem relativ kleinen Radius um sich herum. Andere Ökosystem-Ingenieure verändern die ganze Welt. Cyanobakterien zum Beispiel, die Photosynthese betreiben und dadurch Sauerstoff produzieren. Ihnen ist zu verdanken, dass die Sauerstoffkonzentration in der Erdatmosphäre vor etwa zweieinhalb Milliarden Jahren anstieg, was die Lebensbedingungen grundsätzlich veränderte. Ohne diese Mikroorganismen gäbe es heute wahrscheinlich weder mongolische Wühlmäuse noch Menschen, die sie erforschen könnten.

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