Ein gefährliches Virus entkommt aus einem Labor und beginnt das Töten. Aus einem solchen Plot sind schon viele Thriller entstanden. In England aber müssen die Behörden zurzeit prüfen, ob dieses Szenario nicht doch Realität geworden ist.
Seit in der Grafschaft Surrey, 50 Kilometer südwestlich von London, die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist, verdichten sich die Hinweise darauf, dass der Erreger aus einem von zwei Tiermedizinischen Forschungslabors in der Nachbarschaft entschlüpft sein könnte. Ein Vorgang, der eigentlich unmöglich sein sollte.
Menschen kann die Maul- und Klauenseuche (MKS) kaum etwas anhaben, Tieren aber sehr wohl, was enormen wirtschaftlichen Schaden anrichtet. Daher müssen die Labors, in denen mit dem MKS-Erreger gearbeitet werden darf, die hohen Standards der Sicherheitsstufe drei erfüllen.
Sie machen die Anlagen zu einer Art Festung. Im Inneren der Räume herrscht Unterdruck, sodass im Falle eines Lecks keine Luft entweichen kann, sondern Außenluft hineingesogen wird. Menschen, die dort arbeiten, müssen sich einer fünfminütigen "Zwangsdusche" unterziehen, bevor sie wieder ins Freie dürfen. Trockene Haare nach dieser Prozedur sind ein Kündigungsgrund.
Wer mit Erregern gearbeitet hat, darf zwei Tage keinen Fuß in einen Stall setzen. Auch Ausflüge in den Zoo sind verboten.
Noch besser sind Laboratorien der Sicherheitsstufe vier abgeschirmt. Dort wird mit Erregern von Krankheiten gearbeitet, die auch für den Menschen hochgefährlich sind, Ebola etwa oder die Pocken. In die durch Schleusen abgeriegelten Gefahrenbereiche kommt man nur im belüfteten Schutzanzug. In Deutschland gibt es nur zwei Labors in Hamburg und Marburg, in denen mit gemeingefährlichen Erregern umgegangen werden darf.
"Praktisch ausgeschlossen, dass ein Virus entkommt"
"Die Technik ist inzwischen so weit aufgerüstet, dass es praktisch ausgeschlossen ist, dass ein Virus aus solch einem Labor entkommt", sagt Stephan Becker vom Robert-Koch-Institut in Berlin. Es sei denn, der Mensch helfe nach. Denkbar sei etwa, dass verseuchte Gegenstände nicht gründlich genug gereinigt werden, bevor sie aus dem Sicherheitsbereich geschleust werden, sagt Barbara Ebert vom Berhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.
In britischen Zeitungen wird darüber spekuliert, dass Labormitarbeiter das Virus versehentlich an ihrer Kleidung oder mit dem Auto auf eine benachbarte Rinderfarm eingeschleppt haben könnten. Das ist bisher jedoch ebenso wenig belegt wie die Annahme, dass Viren in die Abluft eines der Labors gelangt seien.
Sollte bestätigt werden, dass die MKS-Erreger tatsächlich aus einem der Labors stammen, wäre das nach seinem Wissen der erste Fall in neuerer Zeit, sagt Becker, der früher das Hochsicherheitslabor in Marburg geleitet hat.
Damals hatte er auch die Geschichte von dem Impfstoffentwickler gehört, der in den sechziger Jahren die Bauern in der Nachbarschaft großzügig mit kostenlosem MKS-Impfstoff für ihre Tiere versorgt hatte.
Es war immer wieder zu Ausbrüchen gekommen aus den damals noch primitiven Labors. Wie das heute noch passieren könne, bei all den technischen Sicherheitsmaßnahmen, sei ihm, wie er sagt, rätselhaft.
So ähnlich klingen allerdings auch die Zusicherungen der Leiter jener beiden Labors, die seit dem Wochenende als möglicher Herd des MKS-Ausbruchs untersucht werden. Bis Mittwoch sollen Ergebnisse der Untersuchungskommission vorliegen.