Raumfahrt:Wie ein Jahr auf dem Mars

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Die Chapea-Crew verlässt ihr Zuhause der vergangenen zwölf Monate, „Mars Dune Alpha“. Kommandeurin Kelly Haston wird vom ehemaligen Astronauten Kjell Lindgren begrüßt. (Foto: AP)

Für eine simulierte Marsmission hat die Nasa vier Freiwillige für zwölf Monate in einen Container gesteckt. Nun durften sie wieder raus. Hat sich das Experiment gelohnt?

Von Theresa Palm

Nach 378 Tagen klopfte ein echter Astronaut an die Tür: Kelly Haston und ihr Team konnten sich am Samstag endlich wieder frei bewegen. Etwas überwältigt blinzelt die Biologin in die Kamera und winkt ins applaudierende Publikum. Gemeinsam mit drei weiteren „Analog-Astronauten“ hatte sie ein gutes Jahr lang so getan, als lebte sie auf dem Mars – als Teil der Nasa-Mission Chapea (Crew Health and Performance Exploration Analog). Die vier verbrachten die Zeit in einem fensterlosen Container von 157 Quadratmetern am Johnson Space Center in Houston, Texas. Bis Astronaut Kjell Lindgren ihnen das Klopf-Zeichen für das Ende der Mission gab.

Die Wohngemeinschaft in „Mars Dune Alpha“ hatte im Nasa-Sprech einen Commander, Kelly Haston, und auch die anderen Beinahe-Mars-Bewohner bekleideten Ränge: Science Officer, Flight Engineer und Medical Officer. Was soll da herauskommen, wenn vier Wissenschaftler sich einsperren lassen?

Das Leben auf dem Pseudomars muss man sich als Belastung vorstellen

Die Nasa wollte ausprobieren, wie man die Astronauten ernähren kann, sagte Steve Koerner, Vizedirektor des Johnson Space Center, zum Ende der Mission: „Die Crew hat immens wichtige Forschung geleistet, hauptsächlich ernährungsbasiert, aber immens wichtig.“ Das klingt verhalten, nicht nur nach Nasa-Maßstäben. Die Crew musste wohl „ausgeklügelte“ Ernährungspläne einhalten, und ihre Leistung wurde überwacht. Während die vier in Nasa-Overalls den Container verlassen, sieht man an ihren linken Handgelenken Messgeräte, die an Smartwatches erinnern. Die verantwortliche Wissenschaftlerin des Projekts, Grace Douglas, sagte vor der frisch entlassenen Crew, diese habe es möglich gemacht, „Abertausende von Datenpunkten zu sammeln, die einen wertvollen integrierten Datensatz erzeugen“ – ein Satz für die Vitrine.

Ziel der Mission war auch, die psychischen Belastungen zu untersuchen, denen sich Astronauten auf dem Mars stellen müssten. Und als Belastung muss man sich das Leben in der Pseudo-Marsstation tatsächlich vorstellen.

Das simulierte Mars-Gebäude steht in einem Sandkasten, der die Landschaft des fremden Planeten imitieren soll. Hier macht die Crew „Marsspaziergänge“. (Foto: Nasa; Chapea Crew/dpa)

Die Bewohner durften die Station nur für simulierte Marsspaziergänge verlassen, mussten Gemüse selbst anbauen und konnten nur mit einer Verzögerung von 22 Minuten mit der Außenwelt auf der Erde kommunizieren. Die vier Testpersonen sind keine ausgebildeten Nasa-Astronauten. Sie brauchten aber einen naturwissenschaftlichen Universitätsabschluss und mindestens 1000 Flugstunden, um sich in Isolation zu begeben.

Nachdem sie aus „Mars Dune Alpha“ hervorgetreten ist, liest Commander Kelly Haston eine Rede von Karteikarten ab: „Ich bin so stolz und geehrt, Teil dieser Crew zu sein und beigetragen zu haben zu einem kleinen Teil der Arbeit auf der Erde, die es eines Tages Menschen ermöglichen wird, auf dem Mars zu leben.“ Ein Jahr ihres Lebens hat sie dafür gegeben. In ihrer Dankesrede entschuldigt sich Haston bei ihrer Familie: „Es tut mir so leid, dass ich dieses Jahr nicht für euch da war.“

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Erst die Mikrobiologin und Science Officer Anca Selariu bringt das große Ganze auf den kleinen Treppenabsatz vor der Eingangstür von „Mars Dune Alpha“, auf dem die Crew die Pressekonferenz abhält: „Das Weltall kann uns alle vereinen“, sagt sie. „Nur die Gesetze der Physik halten uns auf. Ich bin unbeschreiblich dankbar, dass ich zu meiner Herzensangelegenheit beitragen durfte: Leben auf den Mars zu bringen.“

Dabei ist bislang nicht ganz klar, was die Mission wirklich Neues ergeben konnte. Mit Isolation müssen Forschende auch jetzt schon immer wieder klarkommen, sei es auf der ISS oder beim Überwintern in einer antarktischen Forschungsstation, von wo ein halbes Jahr lang kein Flugzeug starten kann. Braucht es da tatsächlich ein eigenes Experiment, das lediglich den Effekt der Abgeschiedenheit untersucht?

Für die Nasa scheint das auf der Hand zu liegen. Sie hat vor Chapea schon das Simulationsgelände „Hi Seas“ auf Hawaii betrieben und vor der Küste Floridas leben Analog-Astronauten auf der Mission „Neemo“ drei Wochen unter Wasser. Auch die Raumfahrtbehörden Europas, Russlands und Chinas haben Freiwillige in Pseudo-Mars-Häuschen gesteckt. Auf die erste Chapea-Crew soll 2025 die nächste folgen, und eine dritte Mission ist für 2027 geplant.

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