Süddeutsche Zeitung

Astronomie:Mars: Dünen am Nordpol

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Lawinen, Geysire, Dünenfelder - neue Fotos zeigen unbekannte Seiten vom Planeten Mars.

Von Joachim Laukenmann

Seit April 2018 liefert die Mars-Kamera Cassis hochaufgelöste, farbige Bilder der Marsoberfläche. "Wir haben jetzt rund 7300 Aufnahmen in unserer Datenbank", sagt Nicolas Thomas vom Physikalischen Institut der Universität Bern, unter dessen Leitung das Colour and Stereo Surface Imaging System (Cassis) entwickelt wurde.

Einige der schönsten und spannendsten Bilder hat die Europäische Weltraumorganisation (ESA) nun veröffentlicht. Cassis ist eines der Instrumente des Trace Gas Orbiter (TGO), der zur ExoMars-Mission der Europüäischen Raumfahrtbehörde ESA und der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos gehört.

"Mit Cassis schauen wir in erster Linie dynamische Prozesse auf der Marsoberfläche an", sagt Thomas. Ein Beispiel ist die Aufnahme von Dünenfeldern in der Nordpolregion des Mars. Im Winter, wenn es wegen der sehr dünnen Atmosphäre bitterkalt wird - teils unter minus hundert Grad Celsius -, bildet sich eine rund einen Meter dicke Schicht aus nahezu transparentem Kohlendioxid-Eis.

Wenn die Sonne im Frühjahr wieder stärker wird, erwärmt sie die Sandschicht unter dem transparenten Eis. Dabei entsteht eine Art Druckofen: Das Kohlendioxid verdampft an der Unterseite der Eisschicht, der Druck steigt und steigt, bis das Gas das Eis in Form von Geysiren durchbricht. Dabei werden auch Sand und Staub mit an die Oberfläche geschleudert, was als dunkle Punkte und Streifen auf dem Bild zu erkennen ist. "Das ist ein spannendes, alljährlich zu beobachtendes Phänomen, das es auf der Erde nicht gibt", sagt Thomas.

Dabei werden auch Sand und Staub mit an die Oberfläche geschleudert, was als dunkle Punkte und Streifen auf dem Bild zu erkennen ist. "Das ist ein spannendes, alljährlich zu beobachtendes Phänomen, das es auf der Erde nicht gibt", sagt Thomas.

Blick in die Vergangenheit

Eine andere Aufnahme zeigt helle und dunkle Streifen an Hängen in der Region Locras Vallis. "Die derzeit führende Theorie legt nahe, dass die Streifen durch trockene Lawinenprozesse gebildet werden", sagt Thomas. "Wir verstehen aber nicht wirklich, was einen Hangstreifen hell macht und was dunkel."

Eine These lautet, dass die hellen genau gleich gebildet werden wie die dunklen Streifen und sie mit der Zeit heller werden. "Die aktuellen Bilder unterstützen diese These nicht", sagt Thomas. "Wir vermuten eher, dass die Helligkeit mit der Partikelgrösse in den Lawinen zu tun hat." Überraschend ist jedoch, dass die hellen und dunklen Hangstreifen sehr nah beeinander auftreten. Warum sollte die Partikelgröße innerhalb weniger Dutzend Meter variieren? "Auch das verstehen wir nicht", sagt Thomas. "Daher sind diese Hangstreifen ein interessantes Forschungsgebiet."

ExoMars untersucht nicht nur die aktuellen Geschehnisse auf dem Mars wie Dünen und Lawinen, sondern möchte auch einen Blick in dessen geochemische Vergangenheit werfen und nach vergangenem oder aktuellem Leben auf dem Mars suchen. In dieser Hinsicht ist ein drittes Bild besonders spannend. Es zeigt einige namenlose Krater, die im Innern des weit größeren Oyama-Kraters in der Region Mawrth Vallis liegen. Dieses Tal wurde wohl durch eine große Flut in der wasserreichen Vergangenheit des Mars geformt.

Interessanter Landeplatz

Die Farbvielfalt auf dem Bild zeugt von verschiedenen Mineralien. Die hellen Farben deuten auf Tonminerale hin, die sich als Sedimente in einem früheren Gewässer abgelagert haben. Besonders interessant findet Thomas den etwa einen Kilometer großen, namenlosen Krater am oberen Bildrand. "Die verschiedenen Sedimentschichten in den Wänden des kleinen Kraters sind freigelegt, was uns gewissermaßen ein Fenster in die Vergangenheit öffnet", sagt der Berner Planetenforscher. Anhand der Schichten lasse sich der Einfluss von Wasser untersuchen und nach Spuren vergangenen Lebens suchen.

Eine Region wie das Mawrth Vallis sei daher ein prädestinierter Landeplatz für künftige Marsmissionen. Tatsächlich wurde die Region auch für den ExoMars-Rover "Rosalind Franklin" in Betracht gezogen, der nächstes Jahr starten soll. Allerdings wurde entschieden, dass der Rover an einem Ort namens Oxia Planum landen soll. Der Grund: Das Mawrth Vallis gilt als schwieriger Landeplatz. "Aber wie das Bild zeigt", sagt Thomas, "wäre es aus einer wissenschaftlichen Perspektive interessanter, im Mawrth Vallis zu landen."

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