Mars-500-Simulation beendet:Zurück auf der Erde

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Fast eineinhalb Jahre lebten sie in einem engen Röhrensystem bei Moskau und taten so, als reisten sie zum Mars und wieder zurück. Jetzt kehren die fünf Probanden des Mars-500-Projekts zurück in die Realität.

Frank Nienhuysen

Sie flogen zum Mars, und doch war die nächste Metrostation immer nur hundert Meter entfernt. Auch der Straßenverkehr, die Imbissbuden, die Supermärkte. Sogar die Familien waren nah, doch die sechs Forscher konnten sie nicht treffen.

Diego Urbina und Alexander Smolejewski bei der Simulation einer Landung auf dem Planeten Mars. (Foto: dpa)

Sie verpassten die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika und den Moskauer Jahrhundert-Smog, der im vorigen Sommer die Stadt ausräucherte. Stattdessen war die Gruppe in ein holzvertäfeltes Röhrensystem gezwängt und sollte sich fühlen wie eine Raumfahrer-Crew im All.

Nach 520 Tagen, fast eineinhalb Jahren, landen die Probanden an diesem Freitag wieder in der Realität. Es ist immer noch die Erde, auf der sie die ganze Zeit waren, es ist Moskau und trister November.

Ein ungewöhnliches Projekt geht damit zu Ende: Mars-500, die Simulation eines Langzeitfluges zum roten Planeten. Drei Russen, ein Italiener, ein Franzose und ein Chinese harrten, von Kameras beobachtet, in ihrem engen Refugium aus. Ohne Tageslicht, ohne Fenster, die sie hätten öffnen können.

Sie experimentierten, nahmen Urinproben, züchteten Bambussprossen, untersuchten Steine - und waren doch selbst die Objekte in diesem Big-Brother-Container mit wissenschaftlichem Zweck.

Es gab ein paar fiese Zwischenfälle, die von den Projektleitern eingestreut wurden, ein Regen von Meteoriten etwa, ungewöhnliche Stürme. All das aber war nicht der Kern, es ging um anderes: Wie reagiert ein Mensch, körperlich und seelisch, wenn er tatsächlich einmal zum Mars fliegen will?

Alexej Sitjow, der Kommandant des Teams, hatte gerade erst geheiratet, als er im vergangenen Frühjahr im Russischen Institut für Biomedizinische Probleme in seinen neuen Mikrokosmos trat und fortan mit gleichaltrigen Männern auskommen musste. Wozu das alles?

Weltraumteleskop "Hubble"
:Das Auge im All

Am 24. April 1990 startete das Weltraumteleskop Hubble seine Mission im All. Seitdem hat es etwa 600.000 Bilder von rund 30.000 Himmelsobjekten aufgenommen.

Es gab Kritik an dem mindestens zehn Millionen Dollar teuren Projekt. Erik Galimow, Direktor des Instituts für Geochemie, hielt es für sinnlos: Ein bemannter Marsflug wäre erst in Jahrzehnten möglich. "Aber eines Tages wird der Mensch es machen", sagt Johann-Dietrich Wörner, Vorstandschef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. "Und dieses Mars-Projekt zeigt die Perspektive auf."

Mit Hilfe von bläulichem Licht soll die Besatzung der Mars-500-Simulation auf das natürliche Tageslicht vorbereitet werden, das sie am Freitag wieder erblicken werden. (Foto: AFP)

Wörner hält die Teilnehmer für gut ausgewählt. Ausgestattet mit Funksensoren, wurde jedes ihrer Gespräche, jeder Kontakt verfolgt. "Es war eine unerwartete Harmonie, niemand wurde ausgeschlossen, es gab keine Grüppchenbildung", sagt Wörner.

Auch die Mediziner waren zufrieden mit ihren Tests. Zu viel Salz lässt den Blutdruck steigen, das zeigte sich bei dem Langzeit-Versuch, nachdem die Salzdosis der Teilnehmer nach und nach gesenkt wurde.

Nun kommen sie also wieder raus, mit um 0,5 Grad gestiegener Körpertemperatur, froh, wieder Sonne und Regen fühlen zu können, Menschen zu treffen. Der Deutsche Oliver Knickel weiß, was das heißt. Er hat vor zwei Jahren in einem ersten Marstest mitgemacht, im selben Moskauer Gebäude. Es waren damals nur 105 Tage, aber sie hatten ihm eigentlich gereicht.

© SZ vom 04.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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