Psychologie:Griffe am Einkaufswagen verleiten zu höheren Ausgaben
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Die Form der Haltestangen beeinflusst, wie viel Geld Kunden im Supermarkt lassen, haben Psychologen herausgefunden - und liefern auch gleich die Erklärung.
Von Patrick Illinger
Wissenschaftler entschlüsseln das Gehirn von Tintenfischen und erkunden das Sozialleben der Ameisen. Doch eine Spezies gibt bis heute Rätsel auf: Menschen im Supermarkt. Seit Jahrzehnten erforschen Marketing-Experten und Verhaltensbiologen das seltsame Gebaren von Menschen beim Einkaufen mit teils empirisch anspruchsvollen Methoden. So hat sich zum Beispiel gezeigt, dass weniger Marmelade gekauft wird, wenn zu viele Sorten im Regal stehen: Vor die Qual der Wahl gestellt, lassen viele Kunden vom Kauf ab. Berüchtigt ist auch der "Popo-wisch-Effekt": An Engstellen zwischen Regalen und Auslagen, wo Kunden sich beim Vorbeigehen berühren, bleibt niemand gerne stehen. Hier feilgebotene Waren sind Ladenhüter.
Nun haben Forscher des Instituts für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck gemeinsam mit britischen Kollegen einen weiteren bizarren Faktor entdeckt, der die Kauflust von Supermarktkunden stark zu beeinflussen scheint: die Griffe am Einkaufswagen. Schieben die Menschen ihre Waren mit einer normalen Querstange vor sich her, kaufen sie weniger ein, als wenn der Wagen Griffe hat, die in Fahrtrichtung verlaufen, wie bei einer Schubkarre. Die ungewohnten Griffe steigerten die Kauflust von 2359 Supermarktnutzern, deren Verhalten für die Studie untersucht wurde, um mehr als 25 Prozent. "Während die Kunden, die einen Standard-Einkaufswagen verwendet haben, im Durchschnitt rund 26 Euro im Geschäft ausgegeben haben, waren es bei den Kunden mit dem umgebauten Einkaufswagen rund 34 Euro", berichten die österreichischen Forscher.
Über die Griffgestaltung habe man sich in der Industrie bislang kaum Gedanken gemacht
Eine Begründung liefern die Gelehrten unter Leitung des Konsumforschers Mathias Streicher auch: Herkömmliche Wagen mit Querstange schiebt man mithilfe des Trizeps, also des Unterarm-Streckers, der im Alltag dazu dient, Dinge vom Körper wegzuschieben. Die psychologische Forschung habe gezeigt, dass die Aktivierung des Trizeps "eher mit Ablehnung oder Vermeidung assoziiert wird - zum Beispiel, wenn Menschen etwas Unerwünschtes durch ausgestreckte Arme auf Abstand halten", erklären die Forscher. Der bei Schubkarren einzusetzende Bizeps sei eher mit "Konsum und Annäherung" verknüpft.
Die Hersteller von Einkaufswagen habe die unterschiedliche Wirkung der Griffe überrascht, berichten die Forscher. Über die Griffgestaltung habe man sich in der Industrie bislang kaum Gedanken gemacht.
Um die unterschiedliche Nutzung der Armmuskeln zu belegen, haben die Forscher laut ihrer Veröffentlichung im Journal of Marketing auch elektromyografische Methoden angewandt, die das elektrische Aktivierungspotenzial von Muskeln beziffern. Das schien die Theorie von Bizeps und Trizeps zu untermauern.
Mit ähnlicher Akribie hatten die Innsbrucker Konsumforscher vor einigen Jahren bereits herausgefunden, dass Supermarktkunden unterschiedlich breite Wahrnehmungsbereiche haben: Die einen sehen nur, was direkt vor ihnen steht. Andere können ganze Regale mit einem Blick erfassen. So gesehen braucht der ideale Kunde, abgesehen von einem dicken Geldbeutel, einen Blick für die Breite und eine Schubkarre als Einkaufswagen.