Süddeutsche Zeitung

Maiswurzelbohrer:Bauer unter Mais-Quarantäne

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Im Kampf gegen den gefürchteten Maiswurzelbohrer müssen nun die ersten deutschen Bauern Ertragseinbußen hinnehmen. Auch für manche Imker sieht es nicht gut aus.

Bernd Dörries

Vom Wohnzimmerfenster aus schaut Fritz Baum auf Mais, er sieht ihn, wenn er vor die Türe seines Hofes tritt, an dem ein kleiner Weg vorbeiführt, auf dem die Wanderer und Radfahrer durchs Rheintal ziehen.

Manchmal halten sie an und beschweren sich, dass man weit und breit nichts anderes sieht als Mais. Außer vielleicht die zwei Silos von Bauer Fritz Baum, 73, in denen er den Mais trocknet.

Im nächsten Jahr wird er zum ersten Mal seit 30 Jahren etwas anderes anpflanzen. Nicht wegen der Radler, die dann an mehr als hundert Hektar Weizen vorbeifahren werden. Eine kleine Abwechslung im Rheintal, wo fast alle Bauern vom Mais leben.

Baum ist nicht glücklich über diese Aussicht. Er hat aber keine andere Wahl. Baum ist einer der wenigen Bauern in Deutschland, der unter Quarantäne steht. Unter Mais-Quarantäne. "Das bringt doch alles nichts, wir können doch nicht die Globalisierung aufhalten", sagt Baum.

Schädling per Post

Vor seinem Hof fährt ein gelbes Postauto durch die Felder. Wenn man die Quarantäne ganz genau nehmen würde, dann dürfte auch das gelbe Postauto nicht mehr fahren. Es steht unter Verdacht.

Der Maiswurzelbohrer könnte der erste Schädling sein, der mit der Post kommt. Er mag die Farbe gelb, das haben Forscher herausgefunden. Der Maiswurzelbohrer ist der Schädling der Globalisierung. In den USA soll er jährlich Schäden in Höhe von einer Milliarde Dollar anrichten.

Die kleinen Käfer legen ihre Larven in die Wurzeln der Maispflanze, bis zu 1000 Eier kann ein Weibchen produzieren. Die Schädlinge fressen die Wurzel, der Mais kippt um.

Die ersten Käfer kamen mit der US-Armee nach Europa, mit Frachtflugzeugen ins ehemalige Jugoslawien. Seitdem wandern sie immer weiter. In Deutschland bereiten sich die Landwirte und Behörden seit fünf Jahren auf ihre Ankunft vor.

In der Nähe von Flughäfen und Autobahnen wurden Fallen aufgestellt, allein in Baden-Württemberg sind es 1200. Die örtlichen Behörden haben Rentner angestellt, die nun im ganzen Land die Fallen abfahren. Im vergangenen Jahr kamen die ersten Maiswurzelbohrer, vor einem Monat gingen 76 Stück auf dem Feld von Fritz Baum in die Falle, der größte Fund in Deutschland bisher.

Weizen statt Mais

Die Voraussetzungen sind gut hier im Rheintal, Lastwagen kommen aus Italien und Slowenien, wo der Maiswurzelbohrer schon länger lebt, wenige Kilometer weiter ist der Flughafen Lahr, mit einem großen und gelben Frachtzentrum der Post nebendran.

Hinter dem Hof von Baum steht ein Gerät, das aussieht wie ein Traktor auf Stelzen und auch so heißt. Mindestens zwei Mal wird dieser Stelzenschlepper nun über die Felder von Baum fahren und Biscaya versprühen, ein Pflanzenschutzmittel, das den Maiswurzelbohrer töten soll.

Es ist nur ein Teil der Quarantäne-Bestimmungen, denen Baum unterliegt. In den nächsten zwei Jahren darf er zwei Kilometer um den Fundort der Maiswurzelbohrer keinen Mais mehr anbauen. Der Schädling ernährt sich nur von Mais; ist keiner mehr da, stirbt er.

Um Weizen anzubauen, muss sich der Bauer einen neuen Schneideaufsatz für seinen Mähdrescher kaufen und eine neue Sämaschine. Das kostet ihn 50.000 Euro. Und dann ist da noch der geringere Ertrag.

Warum manche Bienen nun nicht mehr fliegen können, lesen Sie auf Seite zwei.

Hier im Rheintal bauen alle Mais an, weil es der Pflanze nichts ausmacht, wenn es mal heißer als 35 Grad wird. Die geringen Erträge für Weizen decken kaum die Kosten, sagt Baum. "Der Staat kann mir doch nicht vorschreiben, was ich auf meinem Feld anbauen darf und was nicht." Das komme doch einem Berufsverbot gleich.

Fritz Baum sagt, er habe schon viele Schädlinge gesehen in seinem Leben, nach dem Zweiten Weltkrieg sei er auf dem Acker herumgekrochen und habe Kartoffelkäfer aufgesammelt. Die waren damals eine Plage, heute spreche keiner mehr von ihnen.

Kranke Bienen

Vor ein paar Jahren hat ihn ein Saatguthersteller mit in die USA genommen, wo der Maiswurzelbohrer schon länger wütet. Dort hätten die Farmer ihn mit Pflanzenschutzmitteln und Gentechnik unter Kontrolle gekriegt. Und so werde es hier auch kommen.

Christoph Koch hat ein graues T-Shirt an mit der Biene Maja drauf und ihrem Freund Willi. "Wir lieben Honig", steht auf dem T-Shirt, nach unten hin spannt es sich ein wenig. Vor Koch stehen zehn Bienenstöcke, Tausende Bienen befinden sich im An- oder Abflug.

Koch greift in einen Bienenstock, und als sein Arm wieder aus dem Gewusel herauskommt, hat er eine Biene zwischen den Fingern, die Biene zuckt und vibriert, fliegen kann sie nicht. Koch sagt, es gebe viele solcher Fälle in den vergangenen Monaten, Bienen, die sterben oder einfach krank sind. Der Grund dafür liege im Maisfeld direkt vor ihm. Es ist das Maisfeld von Bauer Baum.

Im Frühjahr hatten viele Bauern in Süddeutschland eine Mais-Saat ausgebracht, die mit Chlothianidin, einem speziellen Pflanzenschutzmittel, gebeizt war. Eigentlich sollte das Gift die Maiswurzel und später die ganze Pflanze vor dem Schädling schützen.

Der Maiswurzelbohrer hat überlebt, dafür aber sind massenhaft Bienen gestorben. Der badische Imkerverband spricht von 11.500 Völkern mit 330 Millionen Bienen.

Am Anfang, sagt der Imker Koch, habe er einfach nur tote Bienen gesehen, sonst war alles wie immer, keiner kannte die Ursache. Manche Imker haben sich dann auf die Lauer gelegt und geschaut, was die Bauern so auf ihre Felder bringen. Koch hat eines morgens den Sack mit der Aufschrift Poncho gesehen.

Entschädigungen für Imker

Poncho ist ein Produkt der Firma Bayer, die nun eingeräumt hat, dass es einen Zusammmenhang gibt zwischen ihrem Gift und dem Bienensterben. Aber nur, weil ein paar Chargen von den Saatgutherstellern falsch produziert worden seien. Den Imkern bietet Bayer nun eine Entschädigung von zwei Millionen Euro an.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz hatte den Einsatz von Chlothianidin erst verordnet, um den Maiswurzelbohrer zu bekämpfen, und nun wieder verboten, um die Bienen zu schützen. Das baden-württembergische Landwirtschaftsministerium hat die Abwicklung der Entschädigungen übernommen und Formulare an 700 betroffene Imker verschickt, mit einer engen Frist und der Formulierung, auf alle weiteren Schadensersatzansprüche zu verzichten.

"Das ist doch Erpressung", sagt Koch. Man wisse ja noch gar nicht um die Langzeitschäden. Chlothianidin soll eine Halbwertzeit von vier Jahren haben, sagt Koch. Für die Hobbyimker sind die zwei Millionen von Bayer eine schöne Summe, für die hauptberuflichen Imker nicht viel. Koch hat von Bayer 44.000 Euro bekommen, sein Schaden, sagt er, liege bei etwa 70.000.

Koch ist hauptberuflicher Imker und hat einen orangenen VW-Bus, mit dem er seine Bienenvölker umherfährt. Im Frühjahr stehen sie in der Nähe von Rapsfeldern, jetzt im Sommer in der Rheinebene, und im Spätsommer fährt er sie dann in den Schwarzwald.

Kein Mais - keine Bienen

Im Frühjahr und im Sommer wachsen die Bienenvölker beträchtlich an, im Sommer sind es dann so viele, dass sie viel mehr Honig produzieren, als die Bienen selber brauchen. An manchen der Bienenkästen hat Koch eine Waage angebaut, die dann per SMS automatisch das Gewicht verschickt. Dieses Jahr, sagt er, sind die Mengen wohl kleiner. Zu viele Bienen hat er schon verloren.

Auf dem Feld vor den Bienenstöcken versprühen die Bauern in den nächsten Tagen wieder das Insektizid Biscaya. Das soll zwar ungiftig sein für Bienen, aber Koch sagt, er sei sich da nicht so sicher. In den vergangenen Jahren habe es viele Einflüsse gegeben, die den Bienen zu schaffen gemacht haben.

Im nächsten Jahr wird auf den Maisfeldern von Fritz Baum Weizen angebaut. Für die Bienen klingt das eigentlich ganz gut. Sie werden aber nicht mehr da sein im nächsten Sommer. Bienen können mit Weizen nichts anfangen.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2008/gal
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