Gentechnik:Vorbild Mammut: Forscher erschaffen Wollhaar-Mäuse

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Eine Maus, deren Erbanlagen Spuren von Mammutgenen enthalten. (Foto: Colossal Biosciences)

Amerikanische Biotechnologen berichten, sie hätten Mäuse mit Mammutfell im Labor gezüchtet. Das klingt wie ein Witz, doch die Arbeit hat eine ernsthafte Anwendungsmöglichkeit.

Von Hanno Charisius

Gentechnologen aus den USA und Schweden haben das Erbgut von Mäusen so umgeschrieben, dass einige Stellen den Erbanlagen von Mammuts ähneln. Das Team um Michael Abrams und Beth Shapiro von dem texanischen Unternehmen Colossal Biosciences konzentrierte sich dabei auf Genvarianten, die Wollhaarmammuts dabei geholfen haben dürften, in der Kälte zu überleben. Heraus kamen Mäuse mit lockigem, goldbraunem Fell. Sie zu sehen sei für sie „ein bisschen wie ein Blick in die Vergangenheit“, sagte die Evolutionsbiologin Louise Johnson von der University of Reading, die nicht an der Arbeit beteiligt war.

Bis zu sieben Gene gleichzeitig veränderte das Team im Erbgut der Mäuse, wodurch Tiere mit „dramatisch veränderter Fellfarbe, -textur und -dicke, die an die wichtigsten Phänotypen des Wollhaarmammuts erinnern“, entstanden seien, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. „Die Colossal Woolly Mouse markiert einen Wendepunkt in unserer Mission zur Wiederauferstehung des Mammuts“, erklärt ebendort auch Ben Lamm, Mitbegründer und CEO von Colossal Biosciences. Durch das Experiment habe das Unternehmen „bewiesen, dass wir in der Lage sind, komplexe genetische Kombinationen zu schaffen, für die die Natur Millionen Jahre brauchte.“ Dieser Erfolg bringe das Team dem Ziel, „das Wollmammut zurückzubringen“, einen Schritt näher.

Wollhaar-Maus und genetisch nicht veränderte Vergleichsmaus. (Foto: Colossal Biosciences)

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die nicht an der Arbeit beteiligt waren, zeigen sich von dem handwerklichen Teil der Arbeit beeindruckt, sind aber sehr zurückhaltend in der Einschätzung, was das für die baldige Wiederauferstehung ausgestorbener Tierarten bedeutet. Seit fast 40 Jahren werden Mäuse gentechnisch verändert, äußerte sich der Genetiker Sergiy Velychko, Research Fellow an der Harvard Medical School, gegenüber dem Science Media Center. „Seitdem sind wir in der Mausgenetik sehr gut geworden: Zehntausende verschiedene gentechnisch veränderte Mausrassen wurden geschaffen, aber die meisten Techniken lassen sich nicht auf andere Arten anwenden, nicht einmal auf Ratten, die enge Verwandte der Maus sind – und schon gar nicht auf Elefanten.“

Bei diesen Tieren seien selbst grundlegende Fortpflanzungstechniken wie die künstliche Befruchtung – die Zeugung eines Embryos im Labor, der einem Muttertier eingepflanzt werden kann – noch nie gelungen. Und wie man von Elefantenkühen die für das Prozedere notwendige Eizellmenge bekommen könnte, ist ebenfalls noch vollkommen unklar. Hunderte Mäusebabys hätten gezeugt werden müssen, um ein paar genetisch veränderte Tiere zu erhalten, so Velychko. „Bei Elefanten ist das schlicht nicht machbar.“

Bislang gibt es nur einen sogenannten Preprint von dem Fachartikel. Man kann ihn im Internet in der Datenbank biorxiv.org finden, er wurde aber noch nicht von unabhängigen Fachleuten begutachtet. Tausende Fachartikel werden dort Woche für Woche hochgeladen, aber mit eigenen Pressemitteilungen unter Sperrfrist dafür zu trommeln, ist bei Weitem nicht die Regel. Dazu stellt das Unternehmen Fotos und Videos hochauflösend zur Verfügung – Colossal ist für das pompöse Marketing der eigenen Arbeiten hinlänglich bekannt.

Bemerkenswert finden Fachleute aber vor allem den methodischen Teil der Arbeit. Der sei „nicht nur für die Wiederherstellung ausgestorbener Arten von Interesse, sondern auch für die Nutztierzüchtung im Allgemeinen“, sagte Konrad Fischer, Leiter des Forschungsbereichs für Xenotransplantation an der Technischen Universität München, dem SMC. Die erfolgreiche gleichzeitige Modifikation mehrerer Gene zeige „das Potenzial für eine präzisere genetische Anpassung von Nutztieren an verschiedene Umweltbedingungen“. So ein massiver Eingriff ins Erbgut berge auch das Risiko, Wechselwirkungen zwischen den veränderten und nicht veränderten Erbanlagen durcheinanderzubringen. „Je mehr Gene gleichzeitig verändert werden, desto wichtiger ist es, ihr Zusammenspiel genau zu verstehen.“

Evolutionsbiologin Louise Johnson hebt hervor, dass die Arbeit des Colossal-Teams dabei helfe, herauszufinden, welche Funktionen ein Gen in einem ausgestorbenen Tier gehabt haben könnte. Dies könne auch Wege im Verständnis der Evolution neuer Eigenschaften eröffnen. „Aber die Vorstellung, dass wir etwas vom Aussterben Bedrohtes wieder zurückholen könnten, ist eine falsche Hoffnung.“

Mit Material vom Science Media Center

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