Süddeutsche Zeitung

Verhaltensbiologie:Mähnenratten haben die Haare schön - und giftig

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Die Nager bespucken sich selbst mit einem Toxin, um sich vor Feinden zu schützen. Unabhängig davon sind sie aber freundlich, monogam und sehr sozial, wie Biologen nun berichten.

Von Tina Baier

Beim Thema giftige Tiere kommen den meisten Menschen Schlangen, Spinnen, Kröten und andere eher unsympathische Wesen in den Sinn. Unter Säugetieren gibt es nur ganz wenige, die giftig sind, und bei Nagetieren - nach allem was man weiß - nur ein einziges: die Mähnenratte Lophiomys imhausi.

Anders als die meisten anderen Gifttiere produzieren die etwa 30 Zentimeter großen Nager, die in verschiedenen Ländern Afrikas leben, ihr Toxin aber nicht selbst. Der US-Biologin Sara Weinstein von der University of Utah ist nun mehrfach gelungen zu beobachten, wie die Tierchen an ihr Gift kommen: Mähnenratten zerkauen die Rinde und Zweige eines giftigen Baumes (Acokanthera schimperi) und spucken den Speichel dann auf ihre Rückenmähne.

Die Dosis des Gifts in den Rattenhaaren wäre für Menschen wohl tödlich

Bisher sei dieses seltsame Verhalten nur ein einziges Mal beobachtet worden, schreibt Weinstein in der Fachzeitschrift Journal of Mammalogy. Deshalb sei nicht klar gewesen, wie verbreitet es unter den Nagern ist. Das Pflanzengift wird offenbar von speziellen Haaren in der Rückenmähne der Tiere aufgenommen und gespeichert. Rätselhaft ist aber, warum sich die Ratten nicht selbst vergiften, denn es ist so gut wie unvermeidlich, dass beim Zerkauen der giftigen Pflanzenteile zumindest kleine Mengen des Toxins im Magen der Tiere landen.

Dass Acokanthera schimperi eine tödliche Mischung von Glykosiden wie Ouabain und Akovenosid enthält, ist schon länger bekannt. Bereits in winzigen Konzentrationen verursachen diese Substanzen Herzrhythmusstörungen. Höher dosiert führen sie bei fast allen Säugetieren zu Atemnot und Herzstillstand. Auch die Dosis in den Haaren einer Mähnenratte würde ausreichen, um einen Menschen und wahrscheinlich auch größere Tiere zu töten. Der deutsche Name des Baums - Pfeilspitzen-Schöngift - spielt darauf an, dass auch Menschen den Giftcocktail genutzt haben, um damit Pfeile für die Jagd zu präparieren.

Was passiert, wenn eine Mähnenratte von einem Schakal, einem Wildhund oder einem anderen natürlichen Feind aufgestöbert wird, ist unbekannt. Das Verhalten der Nager dürfte dann aber ähnlich sein wie bei einer Begegnung mit einem Menschen oder einem Hund. Die Ratten stellen ihre Rückenmähne auf und zischen. Mehrere Hunde, die diese Warnung nicht ernst genommen hätten, seien gestorben, schreibt Weinstein. Und jene, die es überlebt haben, machen danach eine großen Bogen um die Ratten.

Die Tiere haben ein ausgeprägtes Sozialleben

Entsprechend selbstbewusst treten Mähnenratten auf. Im großen Unterschied zu den meisten anderen Nagern, die beim kleinsten Anzeichen von Gefahr hektisch werden und nervös davonhuschen, bewegen sie sich eher gemächlich; vergleichbar etwa mit Stachelschweinen, denen sie mit ihrer stumpfen Schnauze auch rein äußerlich ähnlicher sind als Ratten. Die Tiere scheinen zu wissen, dass sie giftig sind, vermutet Weinstein, die auch das bisher wenig erforschte Sozialverhalten der Tiere untersucht hat.

Dafür stellte sie 35 Wildkameras in verschiedenen Gegenden Kenias auf. Außerdem fing sie 25 Mähnenratten ein und filmte ihr Verhalten im Labor. Die Aufnahmen zeigen, dass die Tiere anders als vermutet keine Einzelgänger sind, sondern ein ausgeprägtes Sozialleben haben. Auf vielen Filmen ist zu sehen, wie sie als Pärchen unterwegs sind. Bisweilen fing die Kamera eine ganze Familie mit mehreren Jungen ein. Anders als die meisten anderen Nagetiere scheinen Mähnenratten nur wenig Nachwuchs zu bekommen, um den sie sich dann aber rührend kümmern. Weinstein nimmt an, dass die Tiere in monogamen Beziehungen leben: mit dem Partner, für den sie sich einmal entschieden haben, verbringen sie wahrscheinlich ihr ganzes Leben.

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