Madeira:Stollen im Berg

Mehr als 1000 Kilometer Kanäle durchziehen Madeira. Nun treiben Ingenieure Stollen in die Berge, um dort Wasser für Kraftwerke zu speichern.

Von Frank Nischk

Man könnte Madeira für ein Paradies halten. Auf der Insel herrscht das ganze Jahr Frühling, das Land ist stets saftig und grün. Doch dieses Bild intakter Natur trügt, ohne den Menschen hätte Madeira ein anderes Gesicht. Seit die portugiesischen Siedler im 15. Jahrhundert die Insel im Atlantik betraten, war das Leben immer auch ein Kampf ums Wasser. Die Menschen ließen sich vor allem an der sonnigen Südküste nieder. Aber dort regnet es im Sommer über Monate fast gar nicht. Im regenreichen Norden ist die Insel jedoch zu bergig, um Felder anzulegen. Also durchzogen die Madeiristas die Insel mit einen System aus Kanälen mit einer Gesamtlänge von mehr als 1000 Kilometern. Diese Kanäle, Levadas genannt, befördern Wasser aus dem Norden zu den Bauern an der Südküste.

Heute stehen Ingenieure auf Madeira vor einer ähnlichen Herausforderung wie die ersten Siedler: Sie sollen die Menschen mit Wasser und möglichst klimafreundlich erzeugtem Strom versorgen. Allerdings ist Madeira kein einsames Eiland mehr, sondern eine Ferieninsel mit einer Million Besuchern pro Jahr. Entsprechend sind Wasser- und Strombedarf in den vergangenen Jahrzehnten explodiert. Mário Jardim Fernandes, Chefingenieur beim örtlichen Stromversorger, kennt die besonderen Probleme der Insel: Wenn im Sommer das Wasser knapp wird, müssen einige Wasserkraftwerke gedrosselt oder abgeschaltet werden. Stattdessen läuft dann ein großes Dieselkraftwerk auf vollen Touren. Fernandes will nun beide Probleme auf einen Schlag lösen: die Wasserversorgung der Menschen gewährleisten und gleichzeitig den Anteil regenerativer Energien am Strommix steigern.

Dafür ließ der Ingenieur große Tunnel in Madeiras Berge bohren, die als Wasserspeicher dienen. Im regenreichen Winter laufen die Stollen voll, im Sommer halten sie die Wasserkraftwerke am Laufen und versorgen die Menschen mit Trinkwasser. Die Betreiber der Anlagen lassen zudem ein System von Windgeneratoren und Pumpspeicherkraftwerken errichten, ähnlich wie auf der Kanareninsel El Hierro.

Trotz der trockenen Sommer wird Madeira so den Anteil, den Wasserkraft, Wind und Sonne zur Stromerzeugung beisteuern, bis 2020 auf 50 Prozent steigern können - und ist damit den meisten Regionen Europas weit voraus. Fernandes' System könnte Vorbild für alle Länder sein, die Wasserkraft trotz ausgeprägter Trockenzeiten nutzen wollen.

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