Luftverschmutzung aus Kohlekraftwerken verursacht laut einer Analyse jedes Jahr 23 000 vorzeitige Todesfälle in Europa und belastet die Gesundheitssysteme mit Mehrkosten von rund 60 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die unter anderem die Organisationen WWF Deutschland und "Health and Environment Alliance" (HEAL) erarbeitet haben. Demnach sind allein die Kohlekraftwerke, die in Deutschland stehen, für 4350 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich, davon 2500 im europäischen Ausland. Noch gravierender für die Gesundheit der EU-Bürger seien nur die Anlagen in Polen. Der Feinstaub aus polnischen Schloten verursache jährlich 5830 vorzeitige Todesfälle, davon 4700 in Nachbarländern.
Die Autoren stützen sich auf die bislang aktuellsten europaweiten Emissionsdaten aus dem Jahr 2013, welche die Schadstoffe von mehr als 90 Prozent aller 280 Kohlekraftwerke in der EU verzeichnen. Feinstaub aus der Kohleverbrennung kann im Umkreis von Hunderten Kilometern die Luftqualität beeinflussen, daher sitzen die Leidtragenden der Energiegewinnung häufig im Nachbarland. So hat etwa Frankreich zwar kaum eigene Kohlekraftwerke, dennoch sterben laut den Berechnungen jährlich rund 1300 Franzosen vorzeitig aufgrund der Kohleverstromung in den Nachbarländern. Um die Auswirkungen in den einzelnen Staaten zu berechnen, nutzten die Autoren Wetterdaten. Anhand von Windgeschwindigkeit, Temperatur und Niederschlag lässt sich abschätzen, wie sich die Schadstoffe einer Quelle in der Atmosphäre verteilen.
"Sehr ungerecht, dass die Belastung aus dem Ausland kommt"
Am schädlichsten für die Gesundheit der Europäer ist der Studie zufolge das Kraftwerk Bełchatów in Polen. Die Anlage nahe der Stadt Łódź soll statistisch gesehen für 1270 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich sein. Die gefährlichsten deutschen Kraftwerke sind das von Vattenfall betriebene Jänschwalde in Brandenburg und die RWE-Anlage Niederaußem in Nordrhein-Westfalen. Beide verbrennen Braunkohle zur Stromerzeugung. Auch einige Kraftwerke in Bulgarien, Großbritannien und Rumänien gelten als besonders schmutzig.
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Der Feinstaub, der bei der Verbrennung von Kohle entsteht, kann die Atemwege schädigen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen, sowie Schlaganfälle auslösen. Daneben sind weitere Schadstoffe wie Schwefeldioxid oder Quecksilber in den Abgasen enthalten. "Es ist sehr ungerecht, dass diese Belastung häufig aus dem Ausland kommt", sagt Ulrich Franck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. In Deutschland sei besonders die Grenzregion zu Tschechien und Polen stark von der staatenübergreifenden Luftverschmutzung betroffen. "Das schädigt nicht nur die Gesundheit, sondern auch das Ökosystem", sagt Franck. So könne die Verbrennung von schwefelhaltiger Kohle auch sauren Regen auslösen. Der Umweltmediziner war an der WWF-Studie nicht beteiligt; die darin geäußerte Schätzung von 23 000 vorzeitigen Todesfällen in Europa hält der Wissenschaftler "von der Größenordnung her für vertretbar". Die Studie lege erstmals offen, "wie EU-Nachbarstaaten sich mit ihren Kohlekraftwerken gegenseitig schädigen", kommentierte Joachim Heinrich vom Institut für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin der Universität München.
Luftverschmutzung sei mittlerweile eines der größten Gesundheitsrisiken für die europäische Bevölkerung, warnt das Umweltprogramm UNEP der Vereinten Nationen in einem Bericht. 95 Prozent der Stadtbewohner atmeten regelmäßig Luft ein, die den Standards von EU und der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht genüge. Insgesamt soll die Feinstaubbelastung laut Europäischer Umweltagentur EEA jedes Jahr etwa 400 000 Menschen in der EU vorzeitig das Leben kosten. Zu den größten Quellen der Schadstoffe zählen neben Kohlekraftwerken etwa der Verkehr, die Industrie oder alte Heizanlagen in Privathaushalten.