Süddeutsche Zeitung

Luftverschmutzung:Atemholen für Fortgeschrittene

Jährlich sterben Millionen Menschen an Schadstoffen in der Luft. Doch der Kampf für saubere Luft ist nicht aussichtslos, wie etwa Kalifornien bewiesen hat. Und die Belohnung für Reformen ist enorm.

Von Christopher Schrader

Vor gut 20 Jahren färbte sich der Himmel über Südkalifornien zum Sonnenuntergang noch Rushhour-Rot. Es war eine Farbe, die Fotografen entzückte und Gäste von Strandbars in Applaus ausbrechen ließ, wenn die Sonne im Pazifik versank. Doch die Behörden, vor allem im Ballungsraum Los Angeles, sagten dem Farbton den Kampf an. Er konnte nur dank der Luftschadstoffe entstehen, die Millionen durch die abendliche Stoßzeit schleichende Autos ausstießen. In diesen Kampf haben die Kalifornier die Welt hineingezogen, weil sie strenge Abgasnormen erließen. Hersteller in Europa mussten sich beugen, wollten sie den Markt Kalifornien nicht aufgeben.

Der Kampf hat sich gelohnt, nicht nur, aber vor allem in Südkalifornien. Dort sind die Werte von Stickstoffdioxid um ein Drittel und von Feinstaub knapp um die Hälfte gefallen - und die Kinder sind gesünder, wie jetzt Forscher aus Los Angeles vorrechnen. Wo Ende der 1990er-Jahre noch 80 von 1000 Kindern zwischen elf und fünfzehn Jahren ernste Entwicklungsstörungen der Lunge aufwiesen, sind es in diesem Jahrzehnt nur noch 36.

Fast acht Millionen Menschen starben 2012 an Schadstoffen

So wichtig das weltweite Engagement gegen zusätzliches Kohlendioxid in der Luft ist, das den Klimawandel antreibt - es gibt viele aus den gleichen Quellen freigesetzte Schadstoffe, die Menschen unmittelbar bedrohen. Auch in der EU sterben deswegen jedes Jahr Hunderttausende Bürger früher als notwendig. In China könnten es 1,2 Millionen vorzeitiger Todesfälle sein.

Laut Weltgesundheitsorganisation kosteten Luftschadstoffe im Jahr 2012 weltweit 7,7 Millionen Leben. Etwa die Hälfte der Opfer hatte den Schmutz draußen eingeatmet, wo Autos und Schiffe, Fabriken und Kraftwerke die Luft verpesten. Und die andere Hälfte im eigenen Heim, wo sie mit Dung, Holz oder Kohle auf offenen Feuerstellen ohne Schornstein kochen müssen.

Es ist unnötig, Luftreinheit und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen. Gegen Treibhausgase und Schadstoffe vorzugehen, ergänzt sich, schon weil Stickoxide und Rußpartikel selbst das Klima aufheizen. Das haben nicht nur die Kalifornier gezeigt, die mit Abgaswerten auch den Treibstoffverbrauch regulierten. Das erkennt inzwischen auch China, das seine Smogprobleme mit dem Umstieg von Kohle auf erneuerbare Energiequellen bekämpft.

Vielen Ländern dürfte ein Eintreten für den Klimaschutz leichter fallen, wenn sich zugleich der Alltag seiner Bürger spürbar verbessert. Darum könnten Industrieländer wie Deutschland und Japan zum Beispiel Programme auflegen, um die Abgasbilanz der steinalten Busse und Lastwagen in Afrika, Asien oder Lateinamerika zu verbessern. Und der ganzen Welt sollte es ein Anliegen sein, den Ärmsten zu helfen, den Rauch der Kochfeuer aus den Häusern zu verbannen. Auch das würde vor allem die Gesundheit der Kinder verbessern.

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SZ vom 07.03.2015
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