Luftqualität:Stadtbewohner leiden unter hoher Stickstoffdioxid-Belastung

Feinstaub-Alarm

Die höchste Stickstoffdioxid-Belastung wurde im vergangenen Jahr mit durchschnittlich 82 Mikrogramm am Stuttgarter Neckartor gemessen.

(Foto: dpa)
  • Das Umweltbundesamt hat einen Bericht zur Luftqualität in Deutschland veröffentlicht.
  • Dem Bericht zufolge wurde im vergangenen Jahr an 57 Prozent aller verkehrsnah gelegenen Messstationen der Grenzwert von Stickstoffdioxid überschritten.
  • Die höchste Belastung wurde am Stuttgarter Neckartor gemessen, auf Platz zwei folgt die Landshuter Allee in München.

Von Christoph Behrens

Die Luft in deutschen Städten ist zu stark mit Stickstoffdioxid belastet. Zu diesem Ergebnis kommt das Umweltbundesamt (UBA) in seinem Bericht zur Luftqualität in Deutschland. 2016 wurde demnach an 57 Prozent aller verkehrsnah gelegenen Messstationen der europaweite Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO₂) pro Kubikmeter im Jahresmittel überschritten. Die höchste Belastung wurde mit durchschnittlich 82 Mikrogramm am Stuttgarter Neckartor gemessen, auf Platz zwei folgt die Landshuter Allee in München, wo ein Kubikmeter Luft durchschnittlich 80 Mikrogramm NO₂ enthält.

"Schuld sind in den Städten vor allem alte Diesel-Autos", sagte UBA-Chefin Maria Krautzberger angesichts der Zahlen. Es könne "aus Sicht des Gesundheitsschutzes nicht akzeptiert werden, dass die Kommunen keine Handhabe haben, um beispielsweise Dieselautos mit hohem Ausstoß aus den belasteten Innenstädten auszuschließen". Deutschland sei auch gegenüber der EU verpflichtet, für saubere Luft in den Städten zu sorgen. Laut Greenpeace leiden vor allem die Radfahrer in den Städten unter hohen Stickoxid-Werten. Die Umweltorganisation hat eigene Messungen in Großstädten angestellt - vor allem an vielbefahrenen Straßen seien die Fahrradfahrer gesundheitsgefährdenden Konzentrationen ausgesetzt.

Stickstoffdioxid ist ein unsichtbares Gas und entsteht vor allem bei der Verbrennung fossiler Kraftstoffe, beispielsweise in Dieselmotoren. Es gilt als gesundheitsgefährdend, in Studien wurde bei Anwohnern stark befahrener Straßen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachgewiesen. Bei Kindern können sich laut WHO durch eine Langzeitbelastung mit NO₂ Symptome von Bronchitis verschlimmern. Auch das kurzfristige Einatmen hoher Konzentrationen ist problematisch. Oberhalb von Werten von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter (μg/m³) nennt die WHO Stickstoffdioxid "ein toxisches Gas, das signifikante Entzündungen der Atemwege auslöst". Am Stuttgarter Neckartor wurde dieser kurzfristige Grenzwert im vergangenen Jahr 35 Mal gerissen. Laut EU-Regeln erlaubt sind maximal 18 Überschreitungen.

Während die Stickoxid-Belastung im Vergleich zu Vorjahren unverändert hoch ist, sieht das UBA Fortschritte bei der Belastung mit Feinstaub. Unter diesen Begriff fallen Schadstoffe wie Ruß oder Kohlenwasserstoffe, die kleiner als zehn Mikrometer sind (PM10) und ebenfalls die Atemwege schädigen können. 2016 wurde demnach die geringste Feinstaubbelastung seit 2000 gemessen. Einzig die Station am Neckartor überschritt an mehr als 35 Tagen den erlaubten Tagesmittelwert von 50 μg pro Kubikmeter. Allerdings meldete ein Viertel der Stationen auf das Jahr gesehen Durchschnittswerte oberhalb der Empfehlungen der WHO. Neben dem Straßenverkehr sind die Industrie oder private Kaminöfen weitere Quellen des Schadstoffs.

Als Grund für die geringeren Feinstaubwerte vermutet das UBA, dass 2016 "extreme, feinstaubbegünstigende Wetterlagen" ausblieben, wie etwa langanhaltende Kälteperioden mit wenig Wind oder Niederschlägen. Eine solche Wetterlage herrschte die vergangenen Wochen in großen Teilen Deutschlands - und führte prompt zu einer äußerst schlechten Luftqualität. In Stuttgart wurden vergangenen Freitag durchschnittlich 158 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter gemessen. Erst vergangene Nacht wurde der insgesamt 15 Tage andauernde Feinstaub-Alarm aufgehoben. Nürnberg, München, Würzburg und Offenburg zählten im Januar bereits ein Dutzend oder mehr Überschreitungen des erlaubten Tagesmittelwerts. Ein Drittel ihres Spielraums von 35 Tagen für 2017 haben diese Städte damit bereits nach einem Monat ausgeschöpft.

Das Bundesumweltamt forderte erneut, eine Blaue Plakette für Pkw einzuführen. Die Maßnahme soll nur noch schadstoffarmen Fahrzeugen die Einfahrt in Städte mit Umweltzonen erlauben, beispielsweise Dieselfahrzeuge, die der Euronorm 6 genügen, und Benzinern mit Euro 3 oder höher. Im Oktober sprach sich die Verkehrsministerkonferenz gegen eine bundesweite Regelung aus. Erst eine Einigung auf Bundesebene würde jeder Kommune erlauben, innerhalb ihrer Grenzen eine solche Blaue Plakette vorzuschreiben.

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