Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Wieso Flugzeuge bei extremer Hitze nicht mehr abheben

Der Klimawandel könnte den Flugverkehr in Zukunft stark beeinträchtigen. Wegen hohen Temperaturen müssen viele Flugzeuge am Boden bleiben - oder Passagiere rauswerfen.

Von Christoph Behrens

Bis auf 48 Grad Celsius kletterte das Thermometer im US-Bundesstaat Arizona vor wenigen Wochen. Anwohner brieten Eier auf offener Straße, Autofahrer steuerten mit Ofenhandschuhen, um sich nicht am Lenkrad zu verbrennen. Nicht einmal mit dem Flugzeug konnte man der Hitze entkommen: Ende Juni war es so heiß, dass rund 50 Starts in Phoenix ausfielen. Die Maschinen durften aus Sicherheitsgründen nicht mehr abheben - ab Temperaturen von über 47 Grad Celsius garantieren manche Flugzeugbauer nicht mehr für den nötigen Schub der Triebwerke.

Solche Hitzewellen könnten den Flugverkehr künftig häufiger treffen, warnen Forscher um Ethan Coffel von der Columbia University in New York. Die Wissenschaftler haben im Fachmagazin Climatic Change berechnet, wie stark die Erderwärmung die Luftfahrt beeinträchtigen wird. Demnach wären Mitte bis Ende des 21. Jahrhunderts zehn bis 30 Prozent aller Starts um die Mittagszeit von Hitze-Einschränkungen betroffen.

Jumbo-Jets und Flughäfen in heißen Regionen dürften den Klimawandel besonders spüren

Die Temperatur ist ein wesentlicher Faktor für den Auftrieb von Flugzeugen. Je wärmer es ist, um so geringer ist die Dichte der Luft, damit sinkt auch der Auftrieb an den Tragflächen. Für den Piloten ist das so, als würde er die Maschine in größerer Höhe starten als die Messgeräte anzeigen. Bis zu einer gewissen Temperatur kann er den Effekt ausgleichen, indem er mehr Schub gibt oder länger auf der Startbahn beschleunigt. Doch wenn es zu heiß wird, müssen die Airlines entweder Passagiere rauswerfen oder Treibstoff ablassen, um Gewicht zu reduzieren - oder ihre Flugzeuge ganz am Boden lassen.

Die Forscher haben für 19 Flughäfen und vier Flugzeugtypen untersucht, wie stark sich der Klimawandel auswirkt. Besonders hart träfe es demnach Flughäfen im arabischen Raum wie Dubai, wo infolge der Erderwärmung mehr Hitzewellen erwartet werden. Aber auch der La Guardia Flughafen in New York müsste bis 2070 an mehr als 50 Tagen im Jahr Gewichtseinschränkungen verhängen, weil er nur über eine vergleichsweise kurze Landebahn verfügt - Piloten könnten hohe Temperaturen also nicht so einfach auf dem Rollfeld ausgleichen. Deutsche Flughäfen haben die Wissenschaftler nicht untersucht, in Paris und London erwarten sie aber eher geringe Einschränkungen.

Die Forscher vermuten zudem, dass große Flugzeugtypen wie die Boeing 777-300 und 787-8 künftig besonders oft Gewicht reduzieren müssen. Bis Ende des Jahrhunderts könnte jeder dritte Flug dieser Jumbos betroffen sein. Mittelgroße Flugzeuge wie der Airbus A320 könnten die Klimafolgen wohl besser abfedern. Selbst kleine Gewichtsreduktionen von unter einem Prozent würden bei den Fluglinien finanziell erheblich ins Gewicht fallen. Bei 160 Passagieren müssten dann etwa drei das Flugzeug verlassen. Einige Flughäfen fangen bereits an, sich auf steigende Temperaturen einzustellen: Sie bauen längere Startbahnen, oder lassen Langstreckenflüge nur morgens oder abends starten, wenn es kühler ist.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3586003
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.07.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.