Luft- und Raumfahrt:Papierflieger in der Stratosphäre

Erfolg britischer Weltraumtechnologie: Zum ersten Mal in der Geschichte ist ein Papierflugzeug aus einer Höhe von 26 Kilometern zur Erde gesegelt. An Bord war der erste Playmobil-Astronaut der Welt.

Markus C. Schulte von Drach

Gleich mehrere Rekorde dürften die Briten mit diesem Flug gebrochen haben:

(Auf dem Video: Die Kamera unter dem Ballon schaut von oben auf den Helm des Playmonauten hinunter. Nach einigen Sekunden löst sich dessen Flugzeug vom Ballon. Nach etwa 38 Sekunden ist der Flieger noch einmal in der Tiefe kurz zu sehen.)

Sie haben eine Playmobilfigur in einem Papierflugzeug mit Hilfe eines Helium-Ballons auf eine Höhe von 26.000 Metern steigen lassen.

Dort löste sich der Flieger Vulture 1 (deutsch: Geier 1) mit seinem mutigen Playmonauten vom Ballon - der in der dünnen Atmosphäre bald darauf platzte - und kehrte fast unbeschadet zum Erdboden zurück.

Lediglich ein kleines Loch in einer Tragfläche konnten Steve Daniels, Lester Haines und John Oates entdecken, nachdem sie ihren Helden am Boden wieder aufgespürt hatte. Kein einziger Strohhalm des Innengerüsts war auch nur geknickt.

90 Minuten hatte der Aufstieg in die Stratosphäre über Spanien gedauert, den ein Fotoapparat und eine Videokamera, die am Ballon befestigt waren, dokumentiert haben.

Ein genialer Spaß

Sowohl das Flugzeug mit dem Spielzeugastronauten als auch den Ballon fanden die Briten mit Hilfe eines GPS-Senders wieder.

Playmonaute

Der Playmonaut vor dem Start. Neben dem Missions-Emblem ist das Porträt der Namensgeberin der Operation zu erkennen: Paris Hilton.

(Foto: Register.co.uk)

Die Bilder und Videos vom wagemutigen Ausflug des Playmonauten im Rahmen der Operation PARIS (Paper Aircraft Released Into Space), der bereits Ende Oktober stattgefunden hat, haben sie ins Internet gestellt.

Die Idee stammte von Lesern der IT-Internetseite The Register, nachdem die Redakteure ihren Plan veröffentlicht hatten, etwas Außergewöhnliches zu tun.

"Wir hatten das Gefühl, die britische Raumfahrt hätte es nötig, neu belebt zu werden", erklärt Oates vom Register.

Starterlaubnis in Spanien

Playmonaute

Abgehoben. Vulture 1 ist unterwegs in die Stratosphäre.

(Foto: Register.co.uk)

Ein Jahr dauerte die Arbeit am Flugzeug und der Styroporkiste mit Auslösemechanismus und Kameras, die an den Ballon gehängt werden sollten. 8000 britische Pfund kostete der Spaß - zum Teil beigesteuert vom Sponsor Peer One Networking - und ein Spaß war es Steve Daniels zufolge.

Wie der IT-Berater erklärte, "kommt es einem ziemlich blöd vor, aber es war ein genialer Spaß".

Um PARIS zu realisieren reisten die Briten nach Spanien, wo die Behörden ihnen erlaubten, ihren Ballon 80 Kilometer westlich von Madrid steigen zu lassen.

Da der Suchtrupp nach dem Flug anfänglich kein Signal des Segelflugzeugs erhielt, befürchtete man in der Missions-Zentrale in London bereits, der Playmonaut und sein Gefährt könnte Gegenstand einer Legende ähnlich derjenigen vom "Fliegenden Holländer" werden.

Fortsetzung einer Tradition

Playmonaute

So hoch dürfte keine Playmobilfigur zuvor geflogen sein. Das Papierflugzeug in einer Höhe von mehr als 20 Kilometern aus Sicht der Ballon-Kamera kurz vor der Abtrennung.

(Foto: Register.co.uk)

Doch dann registrierten die Geräte ein schwaches Signal, dem die Suchmannschaft folgen konnte.

Den Vulture 1 in dieser Wildnis innerhalb eines Tages und auch noch intakt bergen zu können, sei "eine Überraschung" gewesen, sagte Oates britischen Medien. Er hätte dort leicht in einem Wasserbecken oder im Löwengehege eines benachbarten Safariparks landen können.

"Wir betrachten unser Projekt als eines, dass auf eigene bescheide Weise eine Jahrunderte alte Tradition der Medien fortsetzt, die Entwicklung in der Flug- und Raumfahrt voranzutreiben", schreibt Oates auf der Register-Seite.

Schließlich habe etwa die Daily Mail vor dem Ersten Weltkrieg beliebte Flugzeugrennen gesponsert und der Zeitungs-Tycoon William Hearst finanzierte eine Weltumrundung mit einem Zeppelin. "Es gibt viele weitere Beispiele, leider sind es in der Gegenwart weniger."

Der Funke der Begeisterung

Playmonaute

Erleichert begrüßen Steve Daniels, John Oates und Lester Haines (von links) den wohlbehalten gelandeten Playmonauten.

(Foto: Register.co.uk)

"Die unbarmherzigen Medienbarone, die Register kontrollieren, sahen sich jedoch nicht in der Lage, auch nur das kleinste Luftschiff oder die kleinste Rakete zu finanzieren", berichtet der Redakteur.

"Doch mit Hilfe unseres Sponsors haben die epischen Bemühungen zur Verwirklichung des PARIS-Suborbital-Papierflugzeugs vielleicht geholfen, im guten alten England den Funken der Begeisterung für die Raumfahrt neu zu entzünden (oder zumindest für die traditionelle Arbeit der Hobby-Ingenieure).

Medienberichte von Aufnahmen, die eine Bordkamera des Vulture 1 gemacht haben soll, sind übrigens falsch. Nach Auskunft der Projektleitung war der Flieger letztlich zu zerbrechlich, um eine Kamera zu tragen. Alle veröffentlichten Bilder stammen von den Geräten des Ballons.

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