Lingen (dpa/lni) - Am ersten Tag des Erörterungstermins zum Erweiterungsantrag der Brennelementfabrik in Lingen sind viele kritische Fragen gestellt worden. Die in Lingen ansässige Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF), eine Tochtergesellschaft des französischen Framatome-Konzerns, will dort vom kommenden Jahr an Brennelemente für russische Reaktortypen herstellen, die sich in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Finnland, Ungarn und der Slowakei befinden. Dazu hat Framatome bereits 2021 eine Kooperation mit dem russischen Staatskonzern Rosatom geschlossen.
Zur Genehmigung des Antrags hatte die Landesregierung Anfang des Jahres Unterlagen zu dem Vorhaben öffentlich auslegen lassen. Rund 11.000 Einwendungen hatten sich dagegen ausgesprochen. An der Erörterung nahmen 143 Einwenderinnen und Einwender teil.
Auch ANF-Beschäftigte unter den Zuhörern
Vor Beginn des Erörterungstermins hatten Atomkraftgegner vor dem Veranstaltungsort gegen das Vorhaben protestiert. Es waren aber auch Beschäftigte des Lingener Unternehmens gekommen, um für die Genehmigung des Antrags zu demonstrieren.
Vorwurf der Befangenheit
Dass auch ANF-Betriebsangehörige Zutritt zur Versammlung hatten, stieß auf Kritik einiger Einwender. Teilnehmer warfen dem Veranstaltungsleiter Andreas Sikorski vom Umwelt- und Energieministerium Befangenheit vor.
Wegen der großen Zahl an ANF-Mitarbeitern unter den Zuhörern entstehe der Eindruck, dass es Absprachen zwischen ANF und dem Ministerium gegeben habe. „Wir sind umzingelt von Framatome“, sagte Matthias Eickhoff vom „Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen“. Er kritisierte auch, dass es für die Einwenderinnen und Einwender keinen eigenen Besprechungsraum gebe und verlangte eine Aussetzung des Erörterungstermins.
Am Nachmittag lehnte die Staatssekretärin im Umweltministerium, Anka Dobslaw, den Antrag ab. Sikorski betonte, dass es keine Absprachen gegeben habe. Der Erörterungstermin sei ergebnisoffen; auch gebe es noch keine Entscheidung seitens des Ministeriums.
Unternehmen verweist auf Forderung der EU
Vertreter des Unternehmens ANF verteidigten die Kooperation mit dem russischen Unternehmen. Die Betreiber der Kernkraftwerke in den fünf betroffenen EU-Länder hätten Framatome darum gebeten, Brennelemente für den russischen Kraftwerkstyp zu entwickeln. Damit wollten sie unabhängiger von russischen Lieferungen werden, hieß es. Die Genehmigung werde ANF in die Lage versetzen, Brennelemente für die 19 Atomkraftwerke russischen Typs in der Europäischen Union herzustellen, sagte ANF-Geschäftsführer Andreas Hoff. Das werde von deren Betreibern und der Europäischen Union gefordert.
Kritik an Kooperation mit Russland
Vertreter von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden kritisierten das französisch-russische Gemeinschaftsunternehmen. Es sei nicht klar, weshalb für die Entwicklung der Brennelementtypen mit dem russischen Unternehmen kooperiert werde, da auch ein amerikanisches Unternehmen - Westinghouse - inzwischen entsprechende Brennelemente anbiete. Der Eindruck entstehe, dass Framatome im Stillen weitergehende Kooperationspläne mit dem russischen Staatskonzern habe.
Uran gehört Kraftwerksbetreibern
Auf den Vorwurf, bereits Uran aus Russland für die Brennelementfabrik zu beziehen, erklärte ein ANF-Vertreter, dass die Kunden - also die Kraftwerksbetreiber - das Uran beziehen. Es sei Eigentum der Kraftwerksbetreiber; die ANF habe in dieser Frage keine Mitsprache. Kritiker führten an, dass das im Widerspruch dazu stehe, unabhängig von Russland werden zu wollen.
Die Anmerkungen, Fragen und Antworten des Antragstellers sowie der beteiligten Behörden fließen laut Ministerium in das weitere Genehmigungsverfahren ein. Ein Ergebnis gebe es noch nicht, sagte Sikorski am Rande der Erörterung. Es sei auch nicht klar, wie lange die Prüfung seitens des Ministeriums noch dauere.
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