Umwelt:Wie die Lebensmittelproduktion klimafreundlicher werden könnte

Umwelt: Fast ein Viertel der Treibhausgasemissionen aus dem Nahrungsmittelsektor stammen aus dem Anbau von Reis.

Fast ein Viertel der Treibhausgasemissionen aus dem Nahrungsmittelsektor stammen aus dem Anbau von Reis.

(Foto: imago stock&people/imago stock&people)

Viele Faktoren tragen zur Erderwärmung bei, auch die Produktion von Lebensmitteln zählt dazu. Modellrechnungen zeigen, wie sich gegensteuern ließe.

Bis zum Jahr 2100 könnte die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln an die 0,9 Grad Celsius zur Erderwärmung beitragen. "Die Landwirtschaft ist möglicherweise für etwa 15 Prozent der derzeitigen Erwärmung verantwortlich", schreiben Catherine Ivanovich von der Columbia University in New York City und drei Kolleginnen im Fachjournal Nature Climate Change. Immerhin: Dieser Wert könne jedoch mit gezielten Maßnahmen um etwa 0,5 Grad verringert werden, berichtet die Gruppe, die aktuelle Forschungsergebnisse und eigene Modellrechnungen analysierte.

Das Team kritisiert in seinem Aufsatz, dass wegen der üblichen Umrechnung aller Treibhausgase in Äquivalente des Kohlendioxids (CO₂) die Wirkungsweise der einzelnen Treibhausgase meistens nicht genau genug erfasst werde. Das gelte vor allem für Methan, dessen weltweite Emissionen fast zur Hälfte aus der Landwirtschaft stammten. Das Gas entsteht zum Beispiel im Verdauungstrakt von Wiederkäuern und gelangt unter anderem in die Atmosphäre, wenn diese eine Futterportion aufstoßen, um sie erneut zu zerkauen. Methan ist in der Atmosphäre zwar nach zehn Jahren weitgehend abgebaut, bis dahin als Treibhausgas aber mehr als 100-mal so wirksam wie CO₂. Weil CO₂-Äquivalente meist für einen Zeithorizont von 100 Jahren berechnet würden, werde das kurzfristige Treibhauspotenzial von Methan unterschätzt, schreiben Ivanovich und Kolleginnen.

Das Potenzial der Einsparung von Klimagasen durch richtige Nutzung von Lebensmitteln ist groß

Das Team entnahm aktueller Fachliteratur 206 Schätzungen zum Treibhausgaspotenzial der Lebensmittelversorgung. 94 Lebensmittel fassten sie zu zwölf Gruppen zusammen. Sie gingen davon aus, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf fast zehn Milliarden Menschen anwachsen wird, und berechneten das Treibhausgaspotenzial für diese Rahmenbedingungen einzeln für die Gase CO₂, Methan und Lachgas.

Die Studienautorinnen kommen zu dem Ergebnis, dass Methangas allein etwa 60 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen der Nahrungsmittelversorgung beiträgt; bei Kohlendioxid und Lachgas sind es jeweils rund 20 Prozent. Methan entsteht vor allem durch den Stoffwechsel von Wiederkäuern - insbesondere Rindern - und durch den Reisanbau. Lachgasemissionen kommen in der Landwirtschaft hauptsächlich durch den Einsatz von Kunstdünger zustande. Für das Jahr 2030 ermittelte die Forschergruppe, dass auf dem Nahrungssektor die Produktion von Fleisch von Wiederkäuern 33 Prozent, von Reis 23 Prozent, von Milchprodukten 19 Prozent und von Fleisch von Nichtwiederkäuern neun Prozent zum Treibhausgasausstoß beitragen.

"Es besteht jedoch ein erhebliches Potenzial zur Emissionsminderung durch verfügbare Veränderungen bei Produktionspraktiken, Konsummustern sowie Lebensmittelverlusten und -verschwendung", schreiben die Wissenschaftlerinnen. Allein eine klimafreundlichere Produktion von Fleisch, Milchprodukten und Reis könne den prognostizierten weltweiten Temperaturanstieg um ein Viertel mindern.

Eine ebenfalls Erfolg versprechende Maßnahme wäre die Durchsetzung wissenschaftlicher Ernährungsempfehlungen in der Weltbevölkerung, dazu zählen ein geringer Verzehr von Rindfleisch und ein mäßiger Verzehr von Fisch, Geflügel und Eiern. Weitere Maßnahmen sind demnach die etwa in der EU beschlossene, bis 2050 angestrebte klimaneutrale Energieversorgung und eine Reduzierung der heutigen Lebensmittelverschwendung um 50 Prozent. All dies zusammengenommen könne die prognostizierte Erwärmung bis zum Jahr 2100 um 0,5 Grad mindern - der Anstieg betrage dann bedingt durch die globale Lebensmittelproduktion nur 0,4 Grad Celsius statt womöglich um die 0,9 Grad.

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