Laserwaffen werden Realität:Strahlen statt Patronen

Lesezeit: 6 min

Raumschiff Enterprise gegen den Borg-Kubus

Reine Fiction? Nicht unbedingt, sagen Physiker und Militärstrategen

(Foto: Paramount Pictures)

In Science-Fiction-Filmen sind Laserwaffen längst allgegenwärtig. Nun wollen Militärstrategen sie auf realen Schlachtfeldern einführen.

Von Patrick Illinger

Im Herbst vergangenen Jahres fiel der deutschen Bundeskanzlerin eine Drohne vor die Füße. Ein rund 50 Zentimeter großes, ferngesteuertes Fluggerät prallte direkt vor ihrem Rednerpult auf den Boden. Ein Sicherheitsbeamter trug das Ding fort, Angela Merkel lächelte, und weiter ging der Wahlkampf.

Ein junger Zuhörer auf dem Dresdner Neumarkt hatte versucht, mit dem Plastikkopter exklusive Bilder der Kanzlerin zu ergattern. Was Merkel und die Medien als skurrilen Zwischenfall abhakten, versetzte Sicherheitsexperten und Militärstrategen in Alarmzustand. In ihren Augen wurde eine Bedrohung offensichtlich, die in den kommenden Jahren bitterer Ernst werden könnte. Tatsächlich wäre jeder halbwegs begabte Bastler durchaus in der Lage, ein ähnliches Fluggerät mit einer Schusswaffe statt einer Kamera auszustatten und die Kanzlerin nicht nur abzulichten sondern auszuschalten.

Bedrohungsszenarien wie dieses sind mittlerweile fester Bestandteil der Überlegungen jener Militärgremien, die noch vor einigen Jahren Planspiele mit ballistischen Interkontinentalraketen betrieben. In Zeiten von Terrorismus und asymmetrischer Kriegsführung hat sich bekanntlich die Wahl der Waffen geändert. Dass Atomsprengköpfe und Langstreckenraketen die Bedrohungen der Zukunft abwehren können, darf bezweifelt werden. Um das zu verdeutlichen, hat das Industrie-Beratungsgremium der Nato, NIAG, ein Szenario ausgearbeitet, bei dem das Londoner Olympiastadion von einer bewaffneten Drohne angegriffen wird. Das Ergebnis: Gegen derartige Bedrohungen gibt es keinen wirksamen Schutz.

Es geht um Hochenergie-Laser, Mikrowellen, elektromagnetische Impulse

Während der Olympischen Spiele in Peking wurden zwar allen Ernstes Raketenabwehrsysteme um die Stadien installiert. Man möchte sich allerdings nicht ausmalen, wie 80 000 Menschen reagieren, wenn über ihren Köpfen Flugabwehr-Raketen in den Himmel steigen und mit selbst gebastelten Drohnen kollidieren. Nach Ansicht von Militärexperten braucht es für solche und viele andere Bedrohungen neuartige und - so nennen es Strategen gern - chirurgische Waffen. Waffen, die Gegner und deren Gerätschaften außer Gefecht setzen, die Elektronik unbrauchbar machen, Flugkörper blenden oder mit einem Fingerschnippen vom Himmel pusten.

Es geht um Strahlenwaffen, um Hochenergie-Laser, um Mikrowellen, um elektromagnetische Impulse. Physiker, Techniker und Militärs aus mehreren Erdteilen trafen sich in der vergangenen Woche in London, um den militärischen Nutzen solcher Technologien zu diskutieren. Hinter viktorianischen Bleiglasfenstern und dunkler Holztäfelung erörterten die Experten unter dem Titel "Directed Energy Systems" nicht etwa Energiequellen der Zukunft, sondern futuristisches Kriegsgerät.

In Film und Fiktion ist ja alles längst erfunden. Spätestens seit H. G. Wells 1898 seinen Roman "Krieg der Welten" veröffentlichte, sind Strahlenwaffen ein obligatorischer Bestandteil sämtlicher Science-Fiction-Stoffe. Vom Todestern der Star-Wars-Hexalogie über den handlichen Phaser aus Raumschiff Enterprise (der sich wahlweise auf Betäubungsmodus schalten ließ) bis zum Laserschweißgerät, mit dem Auric Goldfinger 1964 den britischen Superagenten James Bond fast entmannte, werden Gefechte zwischen Gut und Böse mit elektromagnetischen Strahlen ausgetragen.

Nur in der Realität funktioniert das nicht ganz so einwandfrei. Die zugrunde liegende Physik ist zwar erforscht und im Prinzip auch handhabbar seit im Jahr 1960 der Laser erfunden wurde. Doch schlugen bislang die meisten Versuche fehl, gebündelte elektromagnetische Strahlen, ob Licht, Infrarotstrahlen oder Mikrowellen, auf realen Schlachtfeldern einzusetzen. Nicht dass es nicht versucht worden wäre. Vor allem das US-Militär hat in den vergangenen Jahrzehnten reihenweise höchst ambitionierte Projekte finanziert, von Ronald Reagans SDI-Träumen bis hin zu einer fliegenden Laserkanone, einer umgebauten Boeing 747, die als Airborne Laser, kurz ABL, in die Geschichte einging. Der Strahlenjumbo sollte Interkontinentalraketen vom Himmel holen, doch nach Entwicklungskosten von fünf Milliarden Dollar wurde er vor zwei Jahren buchstäblich in den Sand gesetzt - in den Wüstensand, wo nutzlos gewordene Flugzeuge enden. Die Liste gescheiterter Projekte ließe sich fortführen. Als Geburtsfehler der meisten Vorhaben gilt heute deren überbordende Gigantomanie. Das hat sich mittlerweile geändert. Die Strahlenkrieger von heute sind bescheidener geworden.

Aber nicht weniger aktiv. Vom Flugzeughersteller Boeing über den deutschen Militärausstatter Rheinmetall bis zum japanischen Mischkonzern Kawasaki - überall in der Welt entstehen Prototypen für Strahlenwaffen. Boeing zum Beispiel bastelt an einer Laserkanone für Kriegsschiffe, die herkömmliche Maschinengewehre ergänzen soll. In Versuchen gelang es bereits, Außenborder von Motorbooten wegzuschießen, was nützlich sein kann, wenn unklar ist, ob ein Pirat oder nur ein Fischer sich nähert. Einen ähnlichen Laser mit zehn Kilowatt Leistung hat Boeing auch auf einen Lastwagen gepackt und in der Wüste von New Mexiko, wo einst die erste Atombombe detonierte, auf diverse Testflugkörper geschossen. Unter anderem wurden mehrere Dutzend Mörsergranaten evaporiert und einer drei Meter langen Drohne der Heckflügel weggeschmort.

Eine ebenfalls auf Lasern basierende Strahlenwaffe entwickelt Kawasaki. Die Kriegsschiffe Japans sollen damit dereinst feindliche Raketen abfangen. Von handfesten Fortschritten berichten zudem Experten der Firma Rheinmetall. Indem sie mehrere Laser kombinierten, erreichten sie eine punktförmig konzentrierte Strahlungsleistung von 50 Kilowatt, was der Heizleistung mehrerer Eigenheime entspricht. Auf einem Testgelände in der Schweiz wurden damit Stahlträger aus einem Kilometer Abstand zersägt, reihenweise anfliegende Granaten abgefangen und sogar drei mit Düsenantrieb ausgestattete Drohnen zum Absturz gebracht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema