Landwirtschaft:Wilde Bienen machen dicke Himbeeren

Der harte Winter hat ein neues Bienensterben verursacht. Nun bangen viele Obstbauern um ihre Ernte. Doch Wildbienen sind ein adäquater Ersatz.

Richard Friebe

Das neue Bienensterben bereitet vielen Imkern Sorgen. Vor allem in den USA hat der harte Winter die Insekten stark dezimiert, womöglich jedes dritte Volk ist dort eingegangen.

Wildbiene, ddp

Die kontrollierte Verwendung von Wildbienen in der Landwirtschaft steht in Deutschland noch am Anfang.

(Foto: Foto: ddp)

Dennoch sind die Nachrichten vom bevorstehenden Ende der Menschheit etwas übertrieben, auch wenn manche Imkerverbände so tun.

Zwar sind Honigbienen sehr wichtig für die Bestäubung von Kulturpflanzen, und in einer Apfelplantage wachsen ohne die Arbeit der Bienen tatsächlich weniger und schlechtere Früchte.

Andererseits können auch andere Insekten oder Vögel Blütenpflanzen bestäuben. Bei manchen Gewächsen, etwa Getreide, betätigt sich der Wind als Fortpflanzungshelfer.

Kartoffeln wiederum werden vegetativ vermehrt. Vor allem aber wird immer deutlicher, dass es für die klassischen Honigbienen einen manchmal mehr als vollwertigen Ersatz gibt - andere Bienen.

Mehr als 500 verschiedene Bienen-Spezies leben allein in Deutschland. Ihre Lebensweise unterscheidet sich zwar deutlich von jener der Honigbienen, die regelrechte Staaten mit Zehntausenden Arbeiterinnen bilden, an deren Spitze eine Königin steht.

Wildbienen hingegen leben meist einzeln oder nur in lockeren Wohngemeinschaften; ihre Eier legen sie in selbst gegrabene Erdlöcher, in Hohlräume im Totholz oder in verlassene Schneckenhäuser. Doch auch für Aufgaben in der Landwirtschaft sind sie begabt.

In Deutschland steht die kontrollierte Verwendung der Tiere in der Landwirtschaft allerdings noch am Anfang, sagt Paul Westrich, ein führender Wildbienenexperte.

Anderswo hat der Einsatz der Ersatzbienen bereits industrielle Ausmaße angenommen. In Japan etwa bestäuben Solitärbienen mehr als 70 Prozent der Mandelbäume; in den USA ist praktisch die gesamte Saatgutproduktion von Luzerne-Klee, einem wichtigen Viehfutter, auf eine Blattschneiderbienenart namens Megachile rotundata angewiesen.

Bienen aus Schachteln

Hierzulande laufen derzeit mehrere Forschungsprojekte zum Einsatz von zwei Arten solitärer Mauerbienen. Private Anbieter beliefern bereits im Winter vornehmlich Obstbauern mit Schachteln voller verpuppter Bienenlarven.

Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig beschäftigen sich mehrere Entomologen mit den Möglichkeiten, die Rote Mauerbiene (Osmia rufa) als saisonale Hilfskraft in der Landwirtschaft einzusetzen.

In den vergangenen Jahren untersuchten sie grundlegende Fragen: Wie kann man die Bienen ansiedeln und vermehren, wie weit fliegt eine einzelne Biene, wie verbreiten sich die Tiere in einer Plantage?

"Diese Experimente haben insgesamt gezeigt, dass sich Osmia sehr gut zu eignen scheint", sagt Bernd Gruber, einer der Leipziger Forscher.

Die Solitärbienen scheinen deutlich fleißiger und damit effektiver zu sein als Honigbienen. Ein Grund dafür ist, dass sie den Pollen trocken und nicht wie die Honigbienen verklebt transportieren. Das erhöht die Bestäubungswahrscheinlichkeit.

Mauerbienen für makellose Früchte

"Und wir sehen selbst da, wo es genügend Honigbienen gibt, einen für den Erwerbsobstbauern interessanten Effekt", sagt Gruber. Wo Solitärbienen eingesetzt würden, steige auch "die Qualität in der Tafelobst-Produktion".

Dass gerade Mauerbienen für große und makellose Früchte sorgen, überrascht Botaniker und Insektenfachleute kaum. Denn Honigbienen sind eigentlich eher schlechte Bestäuber, unter anderem deshalb, weil sie dazu neigen, den immer gleichen Baum anzufliegen.

Das hat zur Folge, dass sie den Pollen eher auf genetisch identischen Blüten hinterlassen - also eine Art Inzucht befördern. Mauerbienen hingegen wechseln eher von Baum zu Baum: Und Sex mit einem Partner ist auch in der Obstproduktion ertragreicher als Sex mit sich selbst.

Auch bei anderen Rosengewächsen zeigen sich diese Effekte. James Cane, Entomologe beim US-Landwirtschaftsministerium, fand bei Himbeersträuchern 30 Prozent größere Früchte, wenn sie von der Mauerbiene Osmia aglaia statt von Honigbienen bestäubt wurden. Ähnliche Ergebnisse erzielten Göttinger Forscher bei Versuchen mit Erdbeeren.

Obstkrankheiten werden weniger verschleppt

Mauerbienen haben weitere Vorteile: Sie fliegen schon bei niedrigeren Temperaturen als Honigbienen - das ist hilfreich, weil es einen Trend zu früher blühenden Züchtungen gibt.

Und weil sie außerdem nicht besonders weit fliegen, machen sie ihre Bestäuberarbeit weitgehend in der Plantage, in der sie stationiert sind. Sie verschleppen deshalb auch nicht so leicht Obstkrankheiten wie die Honigbienen.

Auf einem Teil der Plantagen der "Sachsenobst" bei Grimma haben die Leipziger Bienenforscher in diesem Jahr im ersten echten Großversuch Mauerbienen-Kokons ausgebracht, die zuvor im Kühlschrank überwintert hatten.

Die Ergebnisse der vergangenen Jahre sollen nun dort überprüft werden. Dann wird sich hoffentlich auch zeigen, "ob das Ganze im großen Stil praktikabel ist", sagt Gruber.

Zum ersten Mal kommen dabei spezielle Nisthilfen anstelle der bislang üblichen, per Hand gespaltenen Bambusröhrchen zum Einsatz. Die Mauerbienen legen darin Brutzellen an, bestücken sie mit Pollen und Nektar, und legen je ein Ei pro Zelle ab. Im Herbst werden die verpuppten Larven geerntet, indem die speziell konstruierten Kästen einfach aufgeklappt werden.

Das Design, geeignet für die rote Mauerbiene und die gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta), stammt von dem selbstständigen Wildbienenexperten Mike Herrmann aus Konstanz, der es seit 2007 kommerziell nutzt. Er kooperiert mit Obstbauern am Bodensee und stellt in deren Plantagen seine Nisthilfen auf. Im Herbst erntet er die Kokons und befreit sie so gut es geht von Parasiten.

Solitärbienen im Masseneinsatz sind nämlich ähnlich wie Honigbienen durch die verschiedensten Schädlinge bedroht - etwa 30 verschiedene Parasiten hat Herrmann in seinen Züchtungen bereits gezählt, Pilzkrankheiten nicht mitgerechnet.

Die schlüpffertigen Bienen für die nächste Saison verkauft Herrmann an andere Obstbauern für 55 Cent pro Stück. Werbung sagt er, müsse er keine machen, die Obstbauern würden ihm angesichts knapp werdender Honigbienen eher "die Türe einrennen". 600 Mauerbienen pro Hektar reichen laut Herrmann aus, was zunächst eine hohe Investition ist.

"Wenn die Obstbauern es richtig machen, werden meine Dienstleistungen allerdings irgendwann auch nicht mehr gebraucht werden", sagt Herrmann. Bernd Gruber aus Leipzig stimmt ihm zu: "Kokons ernten, Nisthilfen aufstellen und im Frühjahr die Kokons wieder ausbringen, das können der Bauer oder seine Arbeitskräfte irgendwann auch selbst machen."

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