Lebensmittelverschwendung:Vom Acker in die Tonne

Lebensmittelverschwendung: Oft ist nur das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, wenn Lebensmittel im Müll landen.

Oft ist nur das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, wenn Lebensmittel im Müll landen.

(Foto: Thomas Trutschel/Imago images/Photothek)

Zu viele Lebensmittel wandern in den Müll statt auf den Tisch: Das ist nicht nur aus ethischer Sicht ein Problem, sondern auch für das Klima. Wie sich das ändern ließe.

Von David Zauner

Containern oder "Dumpster diving", also Mülltauchen - so nennt man es, wenn weggeworfene Lebensmittel aus Abfallcontainern von Supermärkten mitgenommen werden. In Deutschland ist das verboten. 2019 wurden dafür zwei Studentinnen wegen "gemeinschaftlich begangenen Diebstahls" verwarnt.

Dabei zeigt nun eine im Fachmagazin Nature Food veröffentlichte Studie, wie gravierend das Problem der Lebensmittelverschwendung nicht nur aus ethischer Sicht, sondern auch für das Klima ist. Die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen aus der Lebensmittelproduktion geht demnach allein auf Abfälle und Verluste zurück, insgesamt 9,3 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente. Das entspricht in etwa den jährlichen Emissionen der USA und der Europäischen Union zusammengenommen.

Hierzulande haben sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) mittlerweile für straffreies Containern ausgesprochen. An der Rechtslage hat sich bislang aber nichts geändert. Natürlich könnte Containern auch nur einen Bruchteil der gigantischen Mengen an Lebensmitteln retten, die jedes Jahr in die Tonne wandern. Rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel werden laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft allein in Deutschland jedes Jahr weggeworfen.

Fleisch zu entsorgen, ist dabei besonders schädlich für das Klima. Die neue Studie aus China und Singapur kam zum Ergebnis, dass über den gesamten Produktionsweg Rind- und Lammfleisch 77-mal mehr Emissionen verursachen als Tomaten. Durch den Verrottungsprozess auf Müllhalden entstehen weitere Treibhausgase, und auch die Müllinfrastruktur selbst produziert welche.

In reichen Ländern stammt ein Großteil des Abfalls aus privaten Haushalten

Die Studie berücksichtigt dabei anfallende Emissionen über die gesamte Lieferkette - vom Feld bis auf den Tisch, oder eben in die Tonne. Sie stützt sich auf Daten zur Lebensmittelversorgung der Welternährungsorganisation FAO, die 164 Länder und Regionen zwischen 2001 und 2017 abdecken. Dabei stützen sich die Autoren auf eine Studie von 2021, wonach die globale Nahrungsmittelversorgung etwa ein Drittel des gesamten Treibhausgasausstoßes verursacht. Das erscheint recht hoch, andere Quellen sprechen eher von einem Viertel. Allerdings wird in der höheren Schätzung auch die Nutzung fossiler Energien in der Landwirtschaft berücksichtigt, etwa Treibstoff für Landmaschinen.

Regionale Unterschiede wie Klima, Einkommen und Ernährungsweise spiegeln sich in den Emissionszahlen wider. Die Emissionen der Müllentsorgung sind in ärmeren Ländern generell höher, da reichere Länder meist über modernere und effizientere Anlagen verfügen. Entwicklungsländer in tropischen oder subtropischen Regionen verlieren zudem besonders viele Lebensmittel zwischen Ernte und Verkauf. Fehlende oder schlechte Kühltechnik ist daran schuld.

In Deutschland gehen dagegen 59 Prozent des Lebensmittelabfalls auf die Haushalte zurück und nur zwei Prozent auf die Produktion. Allgemein treiben in Industriestaaten eine fleischlastige Ernährung, häufig weite Transportwege und eine aufwendige Lebensmittelverarbeitung die Emissionen in die Höhe. Rund 73 Prozent der weltweiten Emissionen durch Lebensmittelabfälle entfallen auf Fleisch, 21 Prozent auf Getreide und nur 2,4 Prozent auf Obst und Gemüse.

In Ländern mit hohem Fleischkonsum wie den USA, Europa und Australien liegt dessen Anteil an den Emissionen sogar bei mehr als 85 Prozent. Die Autorinnen und Autoren schreiben deshalb, dass die Halbierung des weltweiten Konsums von tierischen Produkten etwa die Hälfte der heutigen Emissionen aus Lebensmittelabfällen einsparen würde. Es stehen aber auch technische Möglichkeiten zur Auswahl, um Emissionen zu senken. So raten die Forscher, weggeworfene Lebensmittel zu kompostieren oder in Biogasanlagen in Energie umzuwandeln, statt sie auf Mülldeponien verrotten zu lassen.

Ke Yin, Professor an der Nanjing Forestry University in China und Mitautor der Studie, sieht noch große Lücken bei der Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung. "Viele Länder unternehmen aus verschiedenen Gründen wie Armut, Ungleichheit und politischer Instabilität wenig bis gar keine Anstrengungen", sagt er. So haben sich erst 21 Länder in ihren nationalen Plänen zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens ausdrücklich zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten oder -abfällen verpflichtet.

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