Landwirtschaft:Kuh mit Idealmaßen

Schweizer Landwirte wollen Milchkühe wieder kleiner und leichter züchten. Solche Tiere produzieren zwar weniger Milch, sind aber gesünder und fressen weniger, was den ökonomischen Nachteil wieder wettmacht. Allerdings sind die neuen Kühe umweltschädlicher.

Von Tina Baier

Größer, schwerer und vor allem immer mehr Milch: Die Turbokuh war in den letzen Jahren das Ziel vieler Züchter. Landwirte in der Schweiz wollen diese Entwicklung jetzt stoppen und sogar umkehren. Eine Interessengemeinschaft setzt sich dafür ein, Kühe wieder kleiner und leichter zu züchten und sogar eine geringere Milchproduktion in Kauf zu nehmen.

Turbokühe, die etwa 10 000 Liter Milch im Jahr geben, haben auch viele Nachteile - aus Sicht des Tierschutzes, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. "Manche bringen bei mehr als 1,60 Meter Größe schon über 800 Kilogramm auf die Waage", sagt Michael Schwarzenberger, Experte für Milchproduktion am Schweizer Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg und Mitbegründer der "Interessengemeinschaft Neue Schweizer Kuh". Jedes Jahr würden sie um durchschnittlich 0,3 Zentimeter größer, weil die Züchter besonders schwere Stiere zur Besamung aussuchen. "Größere Tiere geben tatsächlich mehr Milch", sagt Martina Henning vom Institut für Nutztiergenetik des Friedrich-Loeffler-Instituts. "Sie müssen aber auch mehr fressen. Von nichts kommt nichts."

Die schlanke Kuh der Zukunft produziert weniger Milch, lebt aber deutlich länger

Das neue Kuhideal ist dagegen mit einer Größe von 1,40 bis 1,45 Zentimetern deutlich kleiner und nur 500 bis 600 Kilogramm schwer. Sie liefert nur etwa 8000 Liter Milch pro Jahr. "Dafür ist sie gesünder", sagt Martin Huber, Präsident der Interessengemeinschaft. Während Hochleistungskühe spätestens mit vier bis fünf Jahren unfruchtbar zum Schlachter kommen, soll die neue Schweizer Kuh sieben bis acht Jahre alt werden und mehr Kälber gebären. Außerdem seien die Kühe weniger anfällig für Krankheiten. Hochleistungsrassen haben oft Probleme mit der Entgiftung in der Leber, weil sie täglich große Futtermengen verstoffwechseln müssen. Außerdem ist ihr Immunsystem durch die permanente Hochleistung geschwächt, was unter anderem Euterentzündungen zur Folge hat. Die neue Schweizer Kuh soll mit beidem weniger Probleme haben.

Dafür solle aber keine neue Rasse gezüchtet werden, sagt Huber. Vielmehr gehe es darum, kleinere und robustere Tiere für die Zucht auszusuchen. Ökonomisch entstünde kein Nachteil, weil die geringere Milchproduktion unter anderem dank weniger Tierarztkosten und vor allem durch den geringeren Futterbedarf ausgeglichen werde. Schlanke Kühe brauchen nur zehn Prozent Kraftfutter, Turbokühe dagegen bis zu 50 Prozent. Um die gleiche Menge Milch zu produzieren, braucht man allerdings mehr Tiere. Und die produzieren leider mehr CO₂.

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