Klimakolumne:Warum Landwirte nicht zu beneiden sind

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Bei der Grünen Woche sah stets vieles schön bunt und appetitlich aus - das ändert nichts daran, dass die Landwirtschaft vor großen Problemen steht. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Schade, dass die Grüne Woche in diesem Jahr ausfällt. Dabei wäre es höchste Zeit, darüber zu reden, wie es weitergehen soll. Denn die Agrarwende muss kommen - aber dabei brauchen Bäuerinnen und Bauern Hilfe.

Von Michael Bauchmüller

Waren Sie schon einmal auf der "Grünen Woche"? Dann kennen Sie diese seltsame Mischung aus Blumenhallen, Rinderboxen, Traktoren und Lebensmitteln aus aller Welt. Normalerweise würden sich an diesem Wochenende wieder Tausende Berliner durch die Messehallen schieben. Sie würden geduldig anstehen, um hier was und da was zu probieren, mit allerlei Folklore rundherum. Aber eine Grüne Woche gibt es in diesem Jahr natürlich wieder nicht. Und richtig "grün" war sie ohnehin nie. Was die Landwirtschaft anging, war sie eigentlich immer ziemlich konventionell.

Insofern bedaure ich es, dass sie ausgerechnet in diesem Jahr ausfällt. Ein Hauch von Aufbruch geht durchs Land, was nicht nur daran liegt, dass in Berlin ab sofort Landwirtschafts- und Umweltministerium an einem Strang ziehen wollen, mit einer "strategischen Allianz". Der Bauernverband wirbt für vegane Ernährung und sucht den Schulterschluss mit dem Naturschutzring. Dinge kommen in Bewegung.

Es war höchste Zeit, dass sich dieser Graben schließt. Niemand lebt so sehr von und mit der Natur wie die Landwirtschaft, insofern sägte sie mit ihrer gängigen Praxis seit Jahrzehnten am eigenen Ast. Dass das nicht ewig gutgehen konnte, mit übermäßiger Düngung, vollgepferchten Ställen und Pflanzenschutz mit unerwünschten Nebenwirkungen, das lag auf der Hand. Beginnt also jetzt endlich die Wende?

Es sollte selbstverständlich sein, Landwirte für Umweltleistungen zu bezahlen

Um das herauszufinden, wäre ich gerne - wie zuletzt jedes Jahr - zur grünen Woche gepilgert. Sie ist immer auch ein gutes Stimmungsbarometer. Leider stehen nämlich, ungeachtet allen Aufbruchs, viele Landwirte mit dem Rücken zur Wand. Verarbeitern und Lebensmittelhandel sehen sie sich nahezu machtlos gegenüber, entsprechend mau sind die Renditen. Viele haben in Ställe investiert, die allen Regeln entsprachen aber nun - aus guten Gründen - keine Zukunft mehr haben sollen. Niedrige Zinsen lassen die Bodenpreise ins Unermessliche steigen, und damit auch die Pachten. Der Klimawandel fordert zunehmend Tribut, zuletzt vor allem durch Trockenheit.

Landwirtinnen und Landwirte haben eigentlich einen Traumberuf. Aber tauschen will derzeit keiner mit ihnen.

Schaffen werden sie diesen Wandel nicht alleine. Klimaschutz, Artenvielfalt auf Äckern und Wiesen, weniger Pflanzenschutz und Dünger, die Vernässung von Mooren - all das bedeutet auch Einbußen bei den Erträgen. Aber es sind Leistungen, die Bäuerinnen und Bauern für alle erbringen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, sie dafür zu entlohnen - statt mit Flächenprämien die schiere Größe von Betrieben zu versilbern.

Diese Debatte wird nun leider nicht auf der grünen Woche geführt werden können, dabei wird es jetzt erst interessant. Denn finanzieren lässt sich der Umbau nur, wenn Steuerzahler oder Verbraucher dafür zahlen. Sie verlangt eine andere Agrarförderung, mit der auch innerhalb der Landwirtschaft Mittel umverteilt würden. Und natürlich braucht es Verbraucher, die mehr über die Herkunft von Erzeugnissen erfahren - und entsprechend einkaufen.

Das wird auch manche der neuen Allianzen auf harte Proben stellen. Aber eigentlich verhält es sich mit der Landwirtschaft wie bei allem Umbau dieser Zeit, sei es bei der Mobilität, der Energieversorgung oder in der Industrie: Die Zeit ist reif dafür.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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