Zwei Kollegen stehen im Flur und stecken die Köpfe zusammen. Alleine die Körperhaltung des Duos verrät, dass die Lautstärke ihrer Unterhaltung vertraulich gedämpft ist. Hin und wieder blicken sie sich um, ob jemand in der Nähe auftaucht und sie belauschen könnte. Ohne auch nur einen Gesprächsfetzen aufzuschnappen, steht für Beobachter fest: Hier werden Behalt-es-für-dich-Informationen ausgetauscht.
Im Büro gehen Lästermäulern nie die Themen aus: faule Kollegen, fiese Kollegen, unfähige Kollegen und natürlich das weite Themenfeld der grundsätzlich ahnungslosen Führungskräfte. Der Flurfunk macht keine Sendepause.
Über Klatsch und Tratsch haben Forscher viele widersprüchliche Ergebnisse veröffentlicht
Als Unbeteiligter fällt man ein Blitzurteil über so offensichtlich tratschende Mitmenschen: Ihr intriganten Giftspritzen! Wer heimlich über Abwesende spricht, der kann nichts Gutes im Schilde führen. Megan Robbins und Alexander Karan von der University of California in Riverside zeigen jedoch in einer Studie, dass der schlechte Ruf des Tratschens überzogen ist.
Denn erstens klatschen und tratschen nicht nur die intriganten Ehrgeizlinge, sondern tatsächlich: jeder. Und zweitens, so berichten die Psychologen in Social Psychological and Personality Science, sind die Inhalte dieser Gespräche meist harmlos, manchmal gar wohlwollend. Es wird seltener böse gelästert als vermutet.
Über Klatsch und Tratsch haben Forscher viele widersprüchliche Ergebnisse veröffentlicht. Das liege daran, dass sich das Thema nur schwer beforschen ließe, so Robbins und Karan. Wer lästert, gibt das selten fröhlich zu, auch dann nicht, wenn Forscher mit Fragebögen anrücken und um Auskunft bitten. Für die aktuelle Studie werteten die Psychologen daher Daten von knapp 500 Probanden aus, die über Tage ein Aufnahmegerät am Körper trugen und sich an dessen Anwesenheit gewöhnt hatten. Die Rekorder zeichneten alle paar Minuten Unterhaltungen auf, darunter also auch Klatsch und Tratsch.
Etwa 14 Prozent der Gesprächszeit wurde über nicht anwesende Personen geredet. "Bei einem 16-Stunden-Tag entspricht das 52 Minuten, in denen getratscht wird", so Robbins und Karan. Junge Erwachsene lästerten ein bisschen mehr und böser über Dritte als ältere Probanden. Frauen tratschten laut den Daten ein klein wenig mehr als Männer. Allerdings sei dieser Unterschied marginal, betonen die Psychologen. Zudem war der Inhalt dieser Klatschrunden unter Frauen in der Regel neutral und verblüffend selten wertend. "Das passt zu bekannten Befunden, wonach Frauen schlicht häufiger miteinander über soziale Themenbereiche sprechen", sagen Robbins und Karan.
Klatsch erfüllt laut anderen Studien wichtige soziale Funktionen. Manche Forscher sprechen gar von "sozialem Kitt": Gemeinsamer Tratsch hilft demnach, Freundschaften zu formen, Vertrauen aufzubauen, Netzwerke zu bilden und Gemeinschaften zusammenzuhalten. Der britische Psychologe Robin Dunbar argumentiert sogar, dass die Evolution der Sprache ohne Klatsch und Tratsch unmöglich gewesen wäre. Der Mensch an und für sich labert also nur, weil er so gerne lästert? Mag vielleicht sein, sicher aber ist: Warum sich die Kollegen auf dem Flur rumtreiben, das wissen wirklich alle - um sich über neueste Betriebsgerüchte auszutauschen.