Süddeutsche Zeitung

Pflanzenzucht:Das Geheimnis der Giganten

Lässt die Natur es zu, dass ein Kürbis schwerer als 1130 Kilogramm wird? Manche sagen, hier müsste ihr genetisches Limit liegen. Ehrgeizige Gärtner versuchen, das Gegenteil zu beweisen.

Von Naomi Bader

Den schwersten Kürbis bei der diesjährigen Weltmeisterschaft in Kalifornien hat Travis Gienger präsentiert. Mit seinen knapp 1066 Kilogramm ist Giengers Exemplar nur etwas leichter als der derzeitige Weltrekordhalter des Belgiers Mathias Willemijns, der 2016 gut 1190 Kilogramm wog.

Kürbis-Liebhaber auf der ganzen Welt fachsimpeln seit Jahren über die richtige Temperatur, den idealen Boden und die nahrhafteste Düngung für ihre Schützlinge. Manche der Landwirte und Hobby-Gärtner versorgen ihre Gewächse zusätzlich mit bestimmten Pilzen, die eine symbiotische Beziehung mit den Wurzeln eingehen: Nährstoffe, Wasser und Schutz vor Krankheiten im Austausch gegen Kohlenhydrate. Für diesen Trick der Natur zahlen sie auch mal zwölf Euro. Andere Züchter schicken sogar Boden- und Gewebeproben ihrer Kürbisse an Labore, um sicherzustellen, dass der Pflanze keine Nährstoffe fehlen.

Ob Kürbis-Koryphäe Howard Dill sich diesen Einsatz und derartige Gewichte hätte träumen lassen? Der Kanadier ist unter den Züchtern eine Berühmtheit: 1981 stellte er mit seinem 224 Kilogramm schweren Gewächs einen neuen Weltrekord auf. Das ist nach heutigem Maßstab zwar nur ein Leichtgewicht - aber es hatte Potential: Fast alle Riesenkürbisse der Welt sind heute mit Howard Dills Atlantic Giant verwandt. Das seinerseits von der Mammutkürbis-Spezies Cucurbita maxima abstammende Gewächs ist gewissermaßen der Großvater aller Prachtkürbisse. Dill ließ die Samen bereits 1979 patentieren - vielleicht ahnte er doch etwas.

Lässt die Natur es zu, dass Kürbisse schwerer als 1130 Kilogram werden?

Experten geben Dill jedenfalls recht. Wer einen Rekord will, muss sich die Gene angucken. Nur aus dem richtigen Samen keimt ein Kürbis-Gewächs, das in seiner Hochphase mehr als 20 Kilogramm am Tag zulegen kann. Ihr Geheimnis ist etwas, was sich Phloem nennt. Das Gewebe ist Teil des Gefäßsystems einer Pflanze und transportiert wichtige gelöste Stoffe, besonders Zucker. Die Kürbisgiganten verfügen über mehr Phloem und können dadurch um ein Vielfaches schneller wachsen als herkömmliche Sorten.

Die Frage, ob es trotz allem Fortschritt doch irgendwann ein Gewichts- und Größenlimit gibt, beschäftigt die Kürbis- und die Wissenschafts-Community in den vergangenen Jahren zunehmend. Manche Experten sagen, der genetische Code limitiere alle Kürbisträume auf etwa 1130 Kilogramm. Wahrscheinlich werden die ehrgeizigen Gärtner aber weiter daran arbeiten, ihnen das Gegenteil zu beweisen.

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