Künstliches Leben: Premiere:Craig Venter spielt Gott

Neues von Craig Venter, dem Mann, der das menschliche Genom entschlüsselt hat: Der Biotech-Pionier stellt ein künstlich im Labor geschaffenes Lebewesen vor.

Hanno Charisius

Aus dem Inhalt von vier Chemikalienflaschen, einigen Millionen Dollar Kapital und 15 Jahren Zeit hat Biotech-Pionier Craig Venter, 63, eine neue Lebensform geschaffen.

Craig Venter

Hat das erste künstlich im Labor erzeugte Lebewesen erschaffen: Craig Venter.

(Foto: Foto: AP/sueddeutsche.de)

Der Mann, der die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts vor rund zehn Jahren mit großen Worten und viel Geld in ein Wettrennen zwischen seinem Privatunternehmen und dem internationalen Forschungskonsortium Human Genome Organisation verwandelt hatte, bezeichnet seine Schöpfung als "synthetische Zelle". Es handelt sich um ein Bakterium, dessen Erbgut vollständig am Computer entworfen und dann im Labor von Maschinen aus vier chemischen Grundbausteinen zusammengesetzt wurde.

Von der Natur inspiriert, im Labor geschaffen

Soweit man derzeit weiß, leistet diese Mikrobe nichts Besonderes. Sie vermehrt sich munter, stellt hohe Ansprüche an die Nährflüssigkeit, in der sie wächst, und ist ansonsten nicht weiter auffällig.

Dennoch stellt sie einen Meilenstein für die recht junge Ingenieurskunst dar, die sich synthetische Biologie nennt. Sie ist der erste Organismus, der - zwar von der Natur inspiriert und mit Hilfe natürlicher Komponenten - komplett vom Menschen im Labor geschaffen wurde.

Das klingt spektakulär, ist tatsächlich aber eher das Resultat geduldiger Handarbeit denn ein Geniestreich, urteilen Experten. "Im Grunde genommen ist das Verfahren klassische Gentechnik, die bis an ihre Grenze getrieben wurde", sagt der Biotechnologe Nediljko Budisa, der am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried an neuartigen Mikroorganismen arbeitet.

Dennoch sei es nun möglich geworden, "Leben auf dem Reißbrett zu entwerfen", sagt Joachim Boldt vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg, der im Auftrag des Bundesforschungsministeriums eine ethische Bewertung der synthetischen Biologie erstellt.

Bislang konnten Biotechnologen nur maßvoll in das Erbgut von Mikro-Organismen eingreifen. Sie tauschten einzelne Gene aus oder fügten neue hinzu und verliehen den Mikroben so neue Eigenschaften. Oft war das Ziel, sie in Produktionsstätten für Medikamente, Feinchemikalien oder Vitamine zu verwandeln.

Mit einzelnen Genen aber wollte sich das 22-köpfige Forscherteam um Venter und den Nobelpreisträger Hamilton Smith nicht mehr aufhalten und tauschte das ganze, natürliche Erbgut eines Bakteriums durch ein künstliches Genom aus.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Venter von einem Frankenstein-Vergleich nichts wissen will.

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