Kriminalität und 3-D-Drucker:Prekärer Schlüsseltrick

Einen Schlüssel sichtbar zu tragen, könnte weitreichende Folgen haben. Zwei Studenten haben gezeigt, dass ein Foto genügt, um eine Kopie per 3-D-Drucker anzufertigen.

Von Jürgen Schmieder

David Lawrence und Eric Van Albert sind keine Gauner. Sie wollen keine Banken ausrauben, keine Fahrstühle manipulieren und keine Handschellen öffnen. Die beiden sind Studenten am Massachusetts Institute of Technology (MIT), und doch könnte eine ihrer Entdeckungen interessant sein für Bankräuber, Aufzugmanipulatoren und Handschellenöffner. Lawrence und Van Albert haben eine Software erstellt, mit der sie Schlüssel kopieren können, ohne das Original je in die Hand bekommen zu haben. Ein Foto genügt. Das Programm reproduziert sogar Schlüssel, von denen es bislang hieß, auch professionelle Schlüsselmacher könnten sie nicht nachbauen.

Lawrence und Van Albert haben für ihre Repliken einen 3-D-Drucker verwendet - jenen Gerätetyp, von dem es heißt, er werde die Gesellschaft noch verändern wie einst der Buchdruck, das Schießpulver oder das Automobil. Nicht wenige Experten warnen indes davor, dass diese Drucker gravierende negative Folgen haben könnten, wenn sie nicht von Beginn an strikten Beschränkungen unterworfen sind. Es könne, so die Experten, ähnliche Auswirkungen haben wie das Internet, das die Menschen weltweit zueinander führt, aber auch missbraucht wird, um Nutzern Schaden zuzufügen - weil zu spät über mögliche negative Implikationen debattiert worden ist. Die Hardware-Analogie eines solchen Schadens präsentieren Lawrence und Van Albert.

Für ihre Demonstration auf der Hackerkonferenz DEFCON in Las Vegas wählten die beiden Studenten das in den USA gängige Hochsicherheits-Schlüsselsystem Primus der Firma Schlage. Zunächst legten sie das Original in einen zweidimensionalen Scanner, später versuchten sie sogar, eine Kopie zu erstellen, ohne den Schlüssel jemals in der Hand gehabt zu haben.

Es funktionierte: Es genügte ein Foto, die Software dechiffrierte den darauf abgebildeten Code, analysierte die bei diesen Schlüsseln typischen zwei Bartreihen und erstellte ein dreidimensionales Modell.

"Diese Datei haben wir an Internet-Eisenwarengeschäfte geschickt, die 3-D-Ausdrucke anbieten", sagt der 20-jährige Lawrence, ein paar Tage später sei der Schlüssel zugeschickt worden. Auf diese Weise hätten sie ein billiges Nylon-Replikat für fünf US-Dollar bekommen, für 150 Dollar gab es eine stabilere Titan-Version.

"Es ist wie bei der Film-Piraterie", sagt Lawrence, "das Kopieren selbst ist nicht allzu kompliziert, man benötigt nur jemanden, der einem die nötigen Original-Informationen besorgt." Offenbar genügt es, wenn der Schlüssel an einem Gürtel baumelt - man muss an ein Foto des gewünschten Schlüssels gelangen. Lawrence und Van Albert haben sich für ihr Projekt in die Handbücher und Patente des Herstellers eingearbeitet und dabei herausgefunden, wie sich auf den Schlüsseln abgebildeter Zahlenreihen dechiffrieren lassen.

Plädoyer für neuartige Schlüssel

Die Entdeckung von Lawrence und Van Albert kommt in einer Zeit, in der um 3-D-Drucker eine lebhafte Diskussion entbrannt ist: Sorgen sie für die nächste industrielle Revolution? Sind sie ein kurzlebiger Hype? Oder könnten sie sogar gefährlich werden? Es gibt harmlose und skurrile Ausdrucke wie Beinprothesen für Haustiere, Totenkopf-Trinkbecher und Kämme für Hunde.

Es gibt aber auch bedenkliche Projekte wie das des Studenten Cody Wilson, der im März eine funktionierende Pistole vorstellte, die er mit dem dreidimensionalen Drucker erstellt hatte. Im vergangenen Jahr veröffentlichten verschiedene Medien Fotos von Schlüsseln, die Zugang zu sämtlichen Fahrstühlen der New Yorker U-Bahn verschafften oder in der Lage waren, Handschellen zu entsperren. Kurze Zeit später präsentierten Forscher und Hacker Replika davon.

"Die Katze war aus dem Sack", sagt Lawrence, "wenn Dateien einmal im Umlauf sind, kann man sie nicht mehr verschwinden lassen." Und nun wurden auch noch Schlüssel kopiert, die bislang als nicht replizierbar galten. Es liegt nur noch an der Vorstellungskraft der Nutzer, welche Dinge sich noch kopieren lassen. Alles ist möglich, im positiven wie im negativen Sinne.

Für Lawrence war diese Entwicklung nur eine Frage der Zeit: "Wir haben gezeigt, dass mechanische Schlösser verwundbar sind, wenn es möglich ist, ein Duplikat zu erstellen, obwohl man nur ein paar Nummern kennt."

Freilich kann nun nicht jeder Gauner einfach Schlüssel nachmachen, Lawrence und Van Albert werden ihre Software nicht öffentlich zur Verfügung stellen. Dennoch halten sie Schlüssel aus Metall für Anachronismen, zumal kaum jemand 3-D-Drucker verbieten wird. Sie plädieren deshalb für neuartige Schlüssel mit elektronischen oder gar biometrischen Zugangssperren. Allerdings veröffentlichte der Chaos Computer Club bereits vor Jahren eine einfache Anleitung zum Kopieren von Fingerabdrücken. Alles, was es brauchte, war die Fotografie eines Originalabdrucks.

Lawrence und Van Albert hoffen dennoch, dass aufgrund ihrer Software die Sinnhaftigkeit mechanischer Schlüssel infrage gestellt wird. Vor allem aber solle über die Möglichkeiten des 3-D-Druckers debattiert werden, bevor das Gerät von der breiten Öffentlichkeit benutzt wird. Bei so mancher Erfindung, die die Gesellschaft nachhaltig verändert hat, ist diese Debatte zu spät oder gar nicht geführt worden.

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