Krebsimpfung:Letztes Köcheln im Göttinger Gebräu

Der Göttinger Fall steht kurz vor dem Abschluss. Vermutlich wird die Krebs-Impfungsstudie zurückgezogen. Doch die Folgestudie wurde bereits genehmigt.

Holger Wormer

(SZ vom 29.10.2002) - Dass es Ärger geben wird, gilt intern als sicher - doch wie viel Ärger welcher Arzt abbekommen soll, wird noch verhandelt: Spätestens am 8.November aber, so versichert die Pressestelle der Universität Göttingen, werde eine Untersuchungskommission ihr Votum zu einer umstrittenen Impfung gegen Nierenkrebs veröffentlichen. Das Verfahren, von Ärzten aus Göttingen und Tübingen zunächst in der Fachzeitschrift Nature Medicine als Durchbruch gefeiert, beschäftigt seit 22 Monaten diverse Universitätsgremien.

Noch alles offen

Insider rechnen damit, dass die Arbeit (von vielen "Göttinger Gebräu" genannt) zurückgezogen wird - ein Vorgang, wie er in der Wissenschaft üblich ist, wenn sich eine Veröffentlichung später als unhaltbar herausstellt. Ob sich die Kommission aber tatsächlich zu einer klaren Empfehlung durchringt, die Arbeit zu revidieren, ist trotz massiver Kritik nicht sicher. So erklärt einer der mit dem Fall befassten Professoren auf Anfrage, dass er vom Zurückziehen veröffentlichter wissenschaftlicher Arbeiten ohnehin nicht viel hält - und das obwohl die fragwürdige Publikation zu den Top Ten der am häufigsten zitierten Arbeiten des Fachgebiets zählte (1).

Folgestudie abgesegnet

Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die eine zügigere Untersuchung der umstrittenen Arbeit angemahnt hatte, will man dem Abschlussbericht aus Göttingen ebenfalls nicht vorgreifen. Allerdings geht man dort davon aus, dass der Fall die DFG "noch eine Weile beschäftigen wird".

Eiliger als mit der Untersuchung des Falls hatte man es an der Universität mit der Genehmigung der nächsten Studie zur Krebsimpfung in der Abteilung Nierenheilkunde. Die Ethikkommission hat diese bereits abgesegnet. Die Frage der Qualität bisheriger Göttinger Arbeiten auf dem Gebiet scheint dafür keine Rolle zu spielen.

(1) Science Watch, S.5, Mai/Juni 2002

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