Kosmologie:Woraus besteht das Universum?

Kosmologie: Astrophysiker glauben, dass sichtbare Materie wie etwa diese Galaxie nur einen kleinen Teil des Universums ausmacht.

Astrophysiker glauben, dass sichtbare Materie wie etwa diese Galaxie nur einen kleinen Teil des Universums ausmacht.

(Foto: NASA/ESA/R. Gendler)

Astrophysiker bezweifeln die Existenz der Dunklen Energie. Sollten sie recht behalten, wäre das eine Revolution.

Von Patrick Illinger

Neun Jahre lang haben Wissenschaftler aus Südkorea und Frankreich mit einem 2,5-Meter Teleskop ins All gestarrt. Nun glauben sie, eine astronomische Sensation entdeckt zu haben: Ihrer Ansicht nach gibt es, anders als es die Fachwelt für gesichert hält, keine Dunkle Energie im Weltall. Den Erkenntnissen der Forscher von der Yonsei-Universität in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul sowie der Universität von Lyon zufolge basieren die bisherigen Berechnungen auf einem systematischen Fehler.

In der Fachwelt gilt Dunkle Energie seit Jahren als größter Bestandteil des Universums. Die sichtbare Materie, alle Sterne, Galaxien und Gaswolken, bilden demnach nur knapp fünf Prozent des Kosmos. Weitere 25 Prozent bestehen aus Dunkler Materie, deren Konsistenz trotz vieler Vermutungen noch unklar ist. Und der Rest, sagenhafte 70 Prozent, soll aus Dunkler Energie bestehen, einer unsichtbaren Gewalt, die dafür sorgt, dass das All sich mit zunehmender Geschwindigkeit ausdehnt. Soweit der wissenschaftliche Konsens.

Doch bei der Berechnung der Dunklen Energie, für die es 2011 den Nobelpreis gab, hat sich die Fachwelt nach Ansicht der nun aufbegehrenden Wissenschaftler auf eine unzulässige Prämisse verlassen. Die Berechnungen zur Dunklen Energie, für die bis an die Grenzen des sichtbaren Weltraums geblickt werden muss, basieren auf Distanzmessungen mithilfe sogenannter 1a-Supernovae. Letzteres sind Sterne, die auf charakteristische Weise explodieren, wenn ihr nuklearer Brennstoff zur Neige geht. Bisher wurde angenommen, dass diese Explosionen in allen Teilen des Weltraums gleich ablaufen, weshalb 1a-Supernovae als sogenannte Standardkerzen gelten, mit denen man Entfernungsmessungen im All durchführen kann.

Weit entfernte Objekte leuchten dabei rötlicher als nahe Objekte, aus einem simplen Grund: Sie entfernen sich schneller von der Erde, weshalb ihre Lichtwellen ähnlich wie beim Doppler-Effekt "gedehnt" bei uns ankommen. Aus dieser Dehnung, der sogenannten Rotverschiebung, leiten Astronomen üblicherweise Entfernungen ab, wobei die genannten 1a-Supernovae zur Eichung dienen.

Doch dabei habe die Fachwelt systematisch ausgeblendet, dass Supernovae-Explosionen seit dem Beginn des Universums eine Evolution durchgemacht haben, sagen nun die Renegaten aus Südkorea und Frankreich. Jüngere Supernovae explodieren demnach anders als ältere. Alleine mit diesem Effekt sei die bisherige Annahme einer Dunklen Energie hinfällig, sagen die Forscher. Deren Teamleiter, Young-Wook Lee von der Yonsei-Universität, gibt sich selbstbewusst: Die bisherigen Messungen zur Dunklen Energie des Weltalls "könnten ein Artefakt einer brüchigen und falschen Grundannahme sein", sagt er in einer Stellungnahme seiner Hochschule.

Je weiter ein Objekt von der Erde entfernt ist, desto jünger ist es, da man aufgrund der langen Laufzeit des Lichts zunehmend in die Vergangenheit des Kosmos blickt. Sollten 1a-Supernovae tatsächlich vor Milliarden Jahren mit anderer Leuchtkraft explodiert sein als heute, und die Forscher aus Südkorea und Frankreich recht behalten, wäre das eine wissenschaftliche Revolution. Es würde die aktuellen Annahmen über die Zusammensetzung des Universums kräftig durcheinanderwirbeln.

Bruno Leibundgut, Leitender Wissenschaftler der Europäischen Südsternwarte ESO, sieht derzeit jedoch nicht, dass das kosmologische Weltbild neu gezeichnet werden muss. Er hält weitere Untersuchungen für nötig. Eine mögliche Fehlerquelle in der aktuellen Veröffentlichung könnten die sogenannten Pekuliargeschwindigkeiten der gemessenen Supernovae sein. Die charakteristischen Sterne haben neben der generellen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Weltalls auch eine eigene Bewegungsrichtung, die unter gleich weit entfernten Objekten zu einer Schwankung der Rotverschiebung führt. Auch wird in den Messungen der Forscher aus Südkorea und Frankreich das Alter einer entscheidenden Lichtquelle mit 19 Milliarden Jahren angegeben. Das passe in keines der bisherigen Modelle, betont der ESO-Forscher. Er verweist auf den Weltraum-Satelliten Planck, dessen Messungen zur Dunklen Energie derzeit analysiert und vermutlich noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.

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