Konvertierter Klimaskeptiker:Wandlung eines Zweiflers

Hartnäckig beharrt eine Gruppe von Wissenschaftlern darauf, dass der Klimawandel - wenn es ihn überhaupt gibt - nicht vom Menschen verursacht wird. Aber wer die globale Erwärmung und ihre Gründe skeptisch sieht, sollte die harten Daten prüfen. Das Ergebnis ist eindeutig.

Richard Muller

Nennen Sie mich einen konvertierten Skeptiker. Vor drei Jahren hatte ich Mängel in früheren Studien zum Klimawandel entdeckt, die in mir Zweifel weckten, ob es die globale Erwärmung überhaupt gibt. Im vergangenen Jahr, nach intensiver Forschungsarbeit mit einem Dutzend Wissenschaftlern, bin ich zum Schluss gekommen, dass die globale Erwärmung Realität ist und bisherige Schätzungen über das Ausmaß korrekt sind. Jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter: Die Menschheit ist nahezu die alleinige Ursache für den Anstieg.

STRAßE FLIMMERT

Heizt die Menschheit die Erdatmosphäre auf? Oder ist es andersherum? Hartnäckig kritisieren Leugner des Klimawandels, Wetterdaten der vergangenen Jahrzehnte seien unzuverlässig, weil sich Messstationen zunehmend in städtischer und mithin wärmerer Umgebung befänden. Doch der Effekt solcher urbanen "Hitzeinseln" verzerrt die Daten nicht.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Meine Kehrtwendung in so kurzer Zeit ist das Ergebnis der sorgfältigen und objektiven Analyse im "Berkeley Earth Surface Temperature Project", das ich mit meiner Tochter Elizabeth begonnen habe. Unsere Resultate zeigen, dass die durchschnittliche Temperatur der Kontinente der Erde in den vergangenen 250 Jahren um 1,4 Grad Celsius gestiegen ist. Darin enthalten ist eine Zunahme um 0,8 Grad in den vergangenen 50 Jahren. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass praktisch der gesamte Anstieg auf die Freisetzung menschengemachter Treibhausgase zurückzuführen ist.

Diese Ergebnisse übertreffen die Feststellungen des Weltklimarats IPCC, jenes Gremiums der Vereinten Nationen, das den wissenschaftlichen und diplomatischen Konsens zum Thema Klimawandel definiert. In seinem Bericht von 2007 erklärte der IPCC lediglich, der überwiegende Teil der Erwärmung der vergangenen 50 Jahre gehe auf die Menschheit zurück. Es sei möglich, so der Konsens des Gremiums, dass die Temperatursteigerung vor 1956 auf Veränderungen der Sonneneinstrahlung beruhe, und dass auch ein beträchtlicher Teil Erwärmung in jüngerer Zeit natürliche Ursachen hat.

Unser Ansatz im Berkeley-Earth-Projekt nutzt anspruchsvolle statistische Methoden, die vor allem von unserem leitenden Wissenschaftler Robert Rohde entwickelt worden sind. Diese erlauben es, die Oberflächentemperatur der Landmassen viel weiter in die Vergangenheit hinein zu bestimmen als zuvor.

Wir haben die Einwände der Skeptiker sorgfältig analysiert: Sie beklagten Verzerrungen wegen der überproportionalen Erwärmung der Städte, wo viele meteorologische Stationen liegen (wir haben unsere Ergebnisse allein mit ländlichen Stationen reproduziert); durch die Auswahl der analysierten Daten (andere Gruppen haben weniger als 20 Prozent der verfügbaren Messstationen verwendet, wir haben buchstäblich 100 Prozent genutzt); wegen schlechter Qualität mancher Messstationen (wir haben gute und schlechte Stationen unabhängig voneinander analysiert); und durch menschliche Eingriffe und Datenanpassungen (unsere Arbeit ist vollständig automatisiert, niemand legt Hand an). In unseren Publikationen zeigen wir, dass keiner dieser möglicherweise irreführenden Effekte unsere Schlussfolgerung verzerrt.

Was hat die Erwärmung ausgelöst?

Der historische Verlauf der Temperaturen, den wir rekonstruiert haben, zeigt abrupte Abfälle, die zu bekannten Vulkanausbrüchen passen. Die während solcher Eruptionen ausgeworfenen Partikel reflektieren das Sonnenlicht, erzeugen wunderschöne Sonnenuntergänge und kühlen die Erde einige Jahre lang ab. Es gibt kleine, schnelle Veränderungen, die sich auf El-Niño-Ereignisse und andere Meeresströmungen wie den Golfstrom zurückführen lassen. Wegen dieser natürlichen Schwankungen ist das "Abflachen" der Temperaturkurve in jüngerer Zeit, das manche Kritiker anführen, in unseren Augen nicht statistisch aussagekräftig.

Was hat die allmähliche, aber systematische Erwärmung um 1,4 Grad Celsius ausgelöst? Wir haben versucht, die gemessene Temperaturentwicklung durch einfache mathematische Funktionen (Exponentialkurven und Polynome) auszudrücken, um die Daten mit der Sonnenaktivität oder der Bevölkerungsentwicklung zu erklären. Die beste Übereinstimmung zeigten jedoch Aufzeichnungen von atmosphärischem Kohlendioxid, gemessen in aktuellen Luftproben und älterer Luft, die als Bläschen in polarem Eis eingeschlossen ist.

Sehr wichtig ist auch, dass unsere Analyse weit in die Vergangenheit reicht. Wir konnten daher nach den Fingerabdrücken solarer Variabilität suchen. Ein solcher Fingerabdruck fehlt. Der IPCC hatte noch die Möglichkeit beschrieben, dass Veränderungen des eingestrahlten Lichts die kleine Eiszeit beendet haben könnten - eine kühle Phase vom 14. Jahrhundert bis ungefähr 1850. Unsere Daten sprechen aber sehr dafür, dass die Erwärmung der vergangenen 250 Jahre nicht durch Veränderungen auf der Sonne ausgelöst wurde. Diese Schlussfolgerung ist im Nachhinein betrachtet nicht allzu überraschend: Wir haben aus Satellitenmessungen gelernt, dass die solare Aktivität die Helligkeit der Sonne kaum verändert.

Wie sicher ist also die Aussage, wonach die Menschheit für die Erwärmung verantwortlich sei? Die Kohlendioxid-Kurve passt besser zur gemessenen Erwärmung als jede andere, die wir ausprobiert haben. Ihre Größenordnung steht im Einklang mit dem errechneten Treibhauseffekt - also der zusätzlichen Erwärmung durch Wärmestrahlung, die der Atmosphäre nicht entkommen kann. Diese Tatsachen beweisen keine Kausalität, und sie sollten Skepsis nicht beenden, aber sie heben die Hürde an: Um ernsthaft geprüft zu werden, muss eine alternative Erklärung mindestens so gut zu den Daten passen, wie es bei Kohlendioxid der Fall ist.

Wenn wir noch Methan, ein weiteres Treibhausgas, zu unserer Analyse hinzunehmen, ändert sich das Ergebnis nicht. Außerdem beruht unsere Auswertung nicht auf den komplexen globalen Klimamodellen, also den gewaltigen Computerprogrammen, die für ihre verborgenen Annahmen und anpassungsfähigen Parameter berüchtigt sind. Unsere Aussage stützt sich nur auf die enge Übereinstimmung der beobachteten Temperaturzunahme mit dem bekannten Anstieg von Treibhausgasen.

Skeptisch gegenüber alarmistischen Behauptungen

Es ist die Pflicht jedes Wissenschaftlers, skeptisch zu sein. Ich finde immer noch viele, wenn nicht die meisten der Effekte, die dem Klimawandel zugerechnet werden, spekulativ, übertrieben oder einfach falsch. Ich habe einige der alarmistischsten Behauptungen analysiert, und meine Skepsis ihnen gegenüber hat sich nicht geändert.

Für den Hurrikan Katrina, der 2005 New Orleans zerstörte, kann die globale Erwärmung nicht verantwortlich gemacht werden. Die Zahl der Hurrikane, die die USA treffen, hat ab- und nicht zugenommen; das Gleiche gilt für Tornados. Die Eisbären sterben nicht wegen des zurückgehenden Eises, und die Gletscher im Himalaya werden nicht bis 2035 schmelzen. Es ist außerdem möglich, dass es heute nicht wärmer ist als vor tausend Jahren, während der Mittelalterlichen Warmzeit, einer Phase erhöhter Temperaturen, die aus historischen Aufzeichnungen und Baumringen bekannt ist. Die jüngste Hitzeperiode in den USA wird durch Abkühlung in anderen Teilen der Erde mehr als ausgeglichen - ihre Verbindungen zur globalen Erwärmung ist also schwächer als heikel.

Die sorgfältige Auswertung durch unser Team füllt fünf wissenschaftliche Aufsätze, die online unter berkeleyearth.org zu finden sind. Diese Seite zeigt auch eine Grafik der Temperaturen von 1753 bis heute mit den eindeutigen Fingerabdrücken von Vulkanen und Kohlendioxid, aber ohne eine Komponente, die zur Sonnenaktivität passt. Vier unserer Studien sind von der wissenschaftlichen Gemeinde eingehend geprüft worden, und die neueste mit der Analyse der menschlichen Komponente steht zusammen mit Daten und benutzten Computerprogrammen zum Download bereit. Solche Offenheit ist das Herz der wissenschaftlichen Methode; wenn Sie unsere Schlussfolgerungen nicht plausibel finden, melden Sie uns jegliche Fehler in den Daten oder ihrer Auswertung.

Was passiert in der Zukunft? Solange die Emissionen von Kohlendioxid wachsen, dürften auch die Temperaturen steigen. Ich erwarte eine gleichmäßige Erwärmung um ungefähr 0,8 Grad Celsius in den kommenden 50 Jahren über den Kontinenten; die Zahl ist niedriger, wenn die Ozeane eingeschlossen werden. Aber falls China seinen rapiden Aufschwung fortsetzt und seinen Kohleverbrauch nicht drosselt, dann könnte diese Erwärmung auch in weniger als 20 Jahren stattfinden.

Ich hoffe, dass die Berkeley-Earth-Analyse dazu beiträgt, die wissenschaftliche Debatte über die globale Erwärmung und die menschliche Verantwortung beizulegen. Danach kommt der schwierige Teil: sich über das politische und diplomatische Spektrum hinweg zu einigen, was getan werden kann und sollte.

Richard Muller ist Physik-Professor an der University of California in Berkeley und ehemaliger Fellow der MacArthur-Stiftung. Das "Berkeley Earth Surface Temperature Project" geht auf seine Initiaive zurück. Sein jüngstes Buch heißt: "Energy for Future Presidents: The Science Behind the Headlines". ©2012 The New York Times

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