Es war kurz vor der Schlacht an der Milvischen Brücke in Rom im Jahre 312, als Flavius Valerius Constantinus eine Vision hatte: Der Gott einer noch jungen Religion, die sich inzwischen im ganzen römischen Reich ausgebreitet hatte, versprach dem Feldherrn den Sieg - wenn er unter seinem Zeichen antreten würde. Constantinus, sowieso dem Monotheismus zugeneigt, folgte der Empfehlung, besiegte seinen Konkurrenten um die Macht im weströmischen Reich, wurde Kaiser und akzeptierte den christlichen Gott als verehrungswürdige Erscheinung.
Was nun hinter der Vision des Feldherrn gesteckt haben mag - Konstantins Erfolg hatte weitreichende Folgen für den christlichen Glauben. Auch der Kaiser des Oströmischen Reiches, Lucinius, tolerierte die Christen zu dieser Zeit. Doch nur für einige Jahre. Seine antichristliche Politik nahm Konstantin zum Anlass, ihn abzusetzen und hinzurichten. Anschließend unterstützte er den christlichen Glauben mit einem so großen Engagement, dass dieser sich schließlich - nach Konstantins Tod allerdings erst - sogar als Staatsreligion durchsetzen konnte.
Doch es gibt auch eine andere schriftlich festgehaltene Fassung der Geschichte, wie der Kaiser bekehrt wurde. Sie soll auf das Jahr 317 zurückgehen - und sie trägt seine Unterschrift!
Demnach erkrankte Konstantin nach eigenen Angaben als Christenverfolger am Aussatz. Kein Arzt konnte ihm helfen. Schließlich empfahlen ihm die heidnischen Priester des Kapitols, einen Brunnen mit dem Blut unschuldiger Kinder füllen zu lassen und darin zu baden. Als zahlreiche Kinder versammelt waren und "die frevlerischen Heidenpriester sie dahinschlachten wollten", sah der Kaiser die Tränen in den Augen der Mütter und "schreckte vor der Untat" zurück. In der folgenden Nacht erschienen Konstantin die Apostel Petrus und Paulus und empfahlen ihm, sich vom Bischof von Rom, Papst Silvester, taufen zu lassen, statt ihn weiter zu verfolgen.
Geheilt durch das Taufbad
Das Taufbad heilte den Kaiser. Nachhaltig beeindruckt fällte Konstantin einige tiefgreifende Entscheidungen. Er beschloss, die "römische Kirche ehrfürchtig hochzuhalten und in noch höherem Maße als unsere eigene Kaiserherrschaft und unseren irdischen Thron den heiligsten Thron des seligen Petrus ehrenvoll zu erhöhen, indem wir ihm Macht und Ruhmesglanz und Kraft und Ehre der kaiserlichen Herrschaft zuerteilen".
Darüber hinaus sprach er dem römischen Bischof, also dem Papst, den Erstrang über die vier anderen höchsten Patriarchensitze in Antiochia, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem zu.
Damit nicht genug: Konstantin überließ dem Papst den Lateranpalast in Rom sowie die kaiserlichen Insignien und Rechte, also "die Krone unseres Hauptes, zugleich auch die Tiara . . . . und alle kaiserlichen Gewänder und wohl auch Würde und Recht auf eine kaiserliche Reitergarde, womit wir auch sowohl die kaiserlichen Szepter als auch zugleich Piken und Feldzeichen, auch Banner und verschiedene kaiserliche Auszeichnungen übergeben und die gesamte Prozessionsordnung der kaiserlichen Hoheit und den Ruhmesglanz unserer Macht." Dazu erhielt der Klerus von Rom Würde und Vorrechte des römischen Senats.
Doch der Herrscher schien geradezu in einen Freigiebigkeitsrausch verfallen zu sein: Wenn schon der Lateranpalast an den Papst gehen sollte, warum dann nicht auch gleich "die Provinzen der Stadt Rom und Gesamtitaliens"? Aber das reichte noch immer nicht. Auch die Provinzen "der Gebiete des Westens, Länder und Städte" übergab Konstantin auf ewig der Macht und Gerichtsbarkeit des Papstes und seiner Nachfolger.
Und da Rom für zwei so mächtige Herrscher jetzt natürlich zu klein war, entschloss sich Konstantin, "unsere kaiserliche Reichsgewalt und königliche Macht in die östlichen Gebiete zu übertragen . . . und in der Provinz von Byzanz . . . eine Stadt zu bauen und unsere Reichsgewalt dort zu errichten, da es ja dort, wo der Erstrang der Priester und das Haupt der christlichen Religion vom himmlischen Kaiser eingesetzt ist, nicht gerecht wäre, dass dort auch der irdische Kaiser seinen Machtsitz hätte."
Tatsächlich begann Konstantin 325 mit dem Ausbau des alten Byzantinum zum "Neuen Rom", das 330 fertig wurde. Soweit stimmt die Geschichte.
Erst auf dem Sterbebett getauft
Doch die Entscheidung dazu war keine Folge einer heilsamen Taufe durch Silvester, den Bischof von Rom. Tatsächlich ließ sich der Kaiser erst 337 auf dem Sterbebett taufen, und zwar vom Bischof Eusebius von Nikomedia. Und auch die Geschenke-Orgie des Kaisers hat nie stattgefunden. Die gesamte Urkunde, bekannt als Constitutum Constantini (Bestimmung Konstantins), ist eine Fälschung. Die größte Fälschung der Welt.
Angefertigt wurde sie offenbar im 8. Jahrhundert mit dem Ziel, die irdische Herrschaft der Kirche und des Papstes sowie die Vorrangstellung des römischen Bischofs vor allen anderen Bischöfen zu rechtfertigen. Bis heute weiß man nicht, wer sie zu Papier brachte. Doch der Verdacht liegt natürlich nahe, dass der Täter aus dem Umfeld des Papstes kam, da dieser den größten Nutzen davon hatte.
Der Bischof von Rom konnte auf der Grundlage des Dokuments einen Rang beanspruchen, der dem des Kaisers entsprach. Und wenn das Abendland einst vom römischen Kaiser dem Papst übergeben worden war, dann hatte die Kirche nicht nur die Verantwortung für das Seelenheil der Menschen, sondern konnte dieses Land als Besitz beanspruchen.
Tatsächlich hatte die Kirche in den Jahrhunderten nach Konstantin in Italien die Herrschaft über so viele Ländereien gewonnen, dass der Papst Großgrundbesitzer war. Diese Rolle aber musste legitimiert werden.
Unklare Herkunft
Wann genau die Konstantinische Schenkung hergestellt wurde, ist unklar. Es gibt die Vermutung, dass bereits Papst Stephan II. die Schenkung Mitte des 8. Jahrhunderts ins Spiel brachte, um vom fränkischen König Pippin III. von den Langobarden zurückeroberten Gebiete in Mittelitalien zu erhalten. Später beriefen sich die Päpste im Streit mit den Kaisern um das Vorrecht der irdischen Macht immer wieder auf das Dokument. Und obwohl die westlichen weltlichen Herrscher der Kirche nicht gern entgegenkamen, wurde die Echtheit der Schenkung im Mittelalter kaum angezweifelt.
Im 11. Jahrhundert wurde sie sogar fester Bestandteil des westlichen Kirchenrechts. Die orthodoxe östliche Kirche dagegen akzeptierte die Ansprüche der römischen Glaubensgenossen nicht. 1054 kam es unter anderem deshalb zur endgültigen Spaltung.
Erst fast vierhundert Jahre später lieferte der Gelehrte Nikolaus von Kues den Beweis, dass es sich um eine Fälschung handeln musste, was sein italienischer Kollege Lorenzo Valla bald darauf bestätigte. Ein deutlicher Hinweis war, dass der Name Konstantinopel (Constantinopolitanam) in dem Papier auftauchte. Wäre das Dokument tatsächlich wie behauptet um das Jahr 317 entstanden, hätte nur die Rede von Byzanz sein können.
Zweifel während der Reformationszeit
Aber erst in der Reformationszeit, als die deutschen Landesfürsten sich den Machtansprüchen des Papstes entgegenstellten, wurden die Zweifel und die Kritik an der Urkunde laut.
So gab der Reichsritter und Papstgegner Ulrich von Hutten 1521 die Erklärung Vallas neu heraus. Im 17. Jahrhundert versuchte die Kirche sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, das Dokument sei zwar gefälscht, aber die Schenkung Konstantins habe es gegeben. Im 19. Jahrhundert dann erkannte der Vatikan an, dass der Anspruch auf weltliche Macht nicht durch ein Geschenk des römischen Kaisers gerechtfertigt war.
Und erst 2006 verzichtete Papst Benedikt XVI. schließlich auf den Titel "Patriarch des Abendlandes". Und aus seinem Wappen hat er inzwischen sogar die Tiara, das Zeichen der kaiserlichen, weltlichen Gewalt, entfernt.
(Die hier zitierten Auszüge aus der lateinischen Fassung wurden übersetzt von Hans Zimmermann.)
Dieser Text wurde zuletzt im Oktober 2012 aktualisiert.